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der bisher befolgten Zoll-Politik und ohne dass den, in den Verhält
nissen begründeten Keclamationen Rechnung getragen wurde, sank
der Zoll in raschen Sätzen bis auf sein jetziges Niveau, in welchem
er in einzelnen Artikeln unter ein Procent vom Werte herabgeht.
Unsere Industrie wurde von diesen Veränderungen aufs Schwerste
betroffen, doch wurde das Möglichste geleistet, um den in vielen
Fällen mit ungleichen W affen geführten Kampf mit Ehren zu bestehen.
Verbesserung der Hilfs-Maschinen, Verlegung der Erzeugungs-Orte
nach Gegenden, wo noch billiger Arbeitslohn erzielt wird, Vermehrung
der Production und Verminderung der Kosten durch thunlichste
Einführung des mechanischen Betriebes charakterisiren die letzte
Epoche und ist nur zu bedauern, dass die Bemühungen der Indu
striellen immer wieder durch gewaltige Erschütterungen — wir
erinnern nur an die beiden furchtbaren Doppelkriege von 1859 und
1866 — unterbrochen wurden.
Wenn die Beihe der österreichischen Erfinder und Verbesserer
in der Seiden-Branche nicht ununterbrochen bis zur Jetztzeit führt»
so liegt diess darin, dass eigentliche Neuerungen, dank der hohen
Entwicklung, zu welcher die Seiden-Weberei in der ersten Hälfte
dieses Jahrhunderts gelangte, nicht mehr Vorkommen konnten. Der
herrschende Geschmack wendete sich zudem immer mehr den glatten
Stoffen zu und sind die verschiedenen technischen Verbesserungen,
welche in deren Erzeugung Platz griffen, keine solchen, die an irgend
bestimmte Namen geknüpft sind, sondern die, von einer Hand zur
andern übergehend, die verschiedensten Modificationen erfahren.
Zum Schlüsse sei es gestattet, in einigen Worten der Verhält
nisse unseres Industrie-Zweiges von 1867 bis in die Gegenwart zu
gedenken.
Die in Folge des riesigen Aufschwunges, den Wien in dieser
Periode genommen, gesteigerte Nachfrage nach Arbeitskräften hatte
eine Vertheuerung derselben zur Folge, die durch die Preissteigerung
aller Lebensbedürfnisse noch grössere Dimensionen annehmen musste.
Es wurde daher die Erzeugung billiger, couranter Waare in Wien
nachgerade zur Unmöglichkeit und existirt heute kein grösseres Haus
mehr, welches seine Fabriken nicht weg von der Hauptstadt verlegt