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Erwerbung eines immerhin reichlichen Lebensunterhaltes. So wurde
Magdalene Bienert (geb. 1781) die Barbara Uttmann des böhmischen
Mederlandes und mehr als diese. Von Mxdorf aus verbreitete sich
der neue Industrie-Zweig nach Hainspach, Wölmsdorf, Franzensthal,
Karolinenthal, Lobendau, Ober- und Meder-Einsiedel u. s. w. Die
Nachfrage stieg mit der Fertigkeit der Arbeiterinnen von Jahr zu
Jahr; ein fleissiges, geschicktes Mädchen war im Stande, eine kleine
Familie zu ernähren. Die Heiratslust der „niederländischen“ Lein
weber stieg bedeutend, und gab es für einen solchen allerdings kein
profitableres Geschäft als die Heirat mit einem tüchtigen „Blumen
mädchen“. Während die Frau daheim, unterstützt von ihren Hilfs-
Arbeiterinnen — meist den eigenen Kindern — emsig schaffte, ging
der Mann mit der fertigen Waare hausiren und bezog bald auch die
Messen in Leipzig, Frankfurt a. M., Braunschweig und Frankfurt a. 0.
Ganz erstaunliche Massen, besonders grosser, flacher Bouquets und
viele tausend Ellen Guirlanden gingen auf diese Weise in das Aus
land, aus welchem übrigens, wie bemerkt werden muss, der grösste
Theil des Boh-Materials geholt wurde, so aus den benachbarten Grenz-
Städtchen Sebnitz und Neustadt bei Stolpen. Man schätzt die Zahl
der durch die Kunstblumen-Erzeugung um das Jahr 1833 im
böhmischen Niederlande beschäftigten Familien auf nahezu 2000.
Doch schon hatte unser Industrie-Zweig auf dem bezeichneten
Territorium seinen Höhepunct erreicht. War bisher nach öster
reichischen Zoll-Gesetzen die Einfuhr künstlicher Blumen aus dem
Auslande nur gegen einen besondern Pass und gegen die Entrichtung
eines Zolls von 36 Kreuzern vom Wertgulden gestattet, das heisst so
viel wie verboten, so ergriff nunmehr der eben erst zu Stande gebrachte
grosse deutsche Zoll-Verein, auf den unscheinbaren und doch für so
viele Menschenleben äusserst lucrativen Gewerbszweig aufmerksam
geworden, zum Schutze seiner Leute ganz dieselbe Massregel und
legte mit dem Zollsätze von 100 Thalern für den Centner Kunst-
Blumen (ohne Unterschied der Qualität) auch seinerseits ein förm
liches Verbot auf die Einfuhr dieses Artikels. Da man bei uns
durchwegs nur Waaren geringerer Sorte erzeugte, mit deren Preis
der Zoll in gar keinem Verhältnisse stand, so lag mit einem Male