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Die reiche Sattel-Kammer im k. k. Hofmarstall-Gebäude in
Wien, zu welcher Jedermann der Zutritt gestattet ist, bildet die
reichhaltigste Sammlung ihrer Art. Allerdings sind da meist Parade-
Gegenstände aufgestapelt; doch finden wir unter den älteren
Erzeugnissen zum grössten Theile österreichische Werke*).
Die Fabrieation der Peitschen hat in Oesterreich in allen ver
schiedenen Arten nebst den zu diesem Industrie-Zweige gehörigen
Keitstöcken ebenfalls eine solche Vollkommenheit erreicht, dass sie
sich mit den besten Leistungen auf diesem Gebiete in der ganzen
Welt messen kann.
Unsere Kenntniss der Geschichte dieses Industrie - Zweiges
geht bis auf 80 Jahre zurück. Das Material war damals haupt
sächlich Fischbein mit Stuhlrohr verbunden. Die daraus erzeugten
Peitschen wurden auf einem Klöppelbock mit Zwirn, Darm-Saiten
und für besonderen Luxus mit Seide überarbeitet. Ungefähr 50 Jahre
zurück, nachdem dieses Gewerbe 30 Jahre lang fast ohne Fortschritt
blieb, kam eine Maschine, zuerst aus Holz und bald darauf aus Eisen
erbaut, in Verwendung, mittelst welcher die Peitschen und Stöcke
übersponnen wurden. Diese Maschine ist heute noch im Gebrauche ;
seit etwa 12 Jahren wird die feinere Waare der grösseren Schönheit
und Dauerhaftigkeit halber wieder auf einem verbesserten Klöppel-
Bock überarbeitet. Das Haupt-Material für dieses Gewerbe bilden
heute: aus England importirte Stöcke und das sogenannte Triester-
Holz zu den ungarischen Peitschen, dann alaun-gares, nebst vielen
anderen Gattungen Leder, Flecht-Fischbein etc. Die Dauerhaftigkeit,
dann die geschmackvolle Zusammenstellung und die oft sehr reichen
Beschläge, durch welche dieses Fabricat sich in Oesterreich Bahn
gebrochen hat, stellt es auf gleiche Stufe mit jenen aller Nationen,
welche in diesem Fache excelliren.
*) Ein Paar Pferde -Geschirre, kunstvoll mit Pfauenfedern ausgenäht,
und ein Paar Schlitten-Geschirre, welche beide dem Grafen Radetzky gehört
hatten, dann zwei Paar sehr reiche Schlitten-Geschirre, welche in den
Jahren 1813 bis 1814 erzeugt wurden, ferner mehrere Sechserzüge mit rothem
Sammt überzogen und schwer beschlagen, im Jahre 1830 erzeugt und den
ebenfalls im Jahre 1830 ausgeführten ungemein reich auf Sammt gestickten
Krönungszug für acht Pferde, welcher zum letzten Mal bei der Krönung des
Kaisers Franz Josef I., zum König von Ungarn, in Verwendung war.