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Volltext: Beiträge zur Geschichte der Gewerbe und Erfindungen Oesterreichs von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart ; Weltausstellung 1873 in Wien ; Erste Reihe: Rohproduction und Industrie

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TV ärme - Grade die Eigenschaft gegeben, diese Form bei jedem 
Wechsel der Temperatur, unbeschadet ihrer natürlichen Elasticität 
zu behalten. Diese Eigenschaft gab der Verwendung des Kautschuks 
im Gebiete der Industrie eine früher nicht geahnte, heute noch keines- > 
wegs abgeschlossene Ausdehnung. Die Erzeugung von Eisenbahn- 
TVaggon-Puffern, von Schläuchen, Ventilen, Klappen u. s. w. ist eine 
Folge dieser Erfindung. Die letzte wesentliche Neuerung endlich ver 
leiht dem Kautschuk eine hornähnliche Beschaffenheit und qualificirt 
ihn zur Erzeugung von Kämmen, Knöpfen, Stöcken u. dgl. 
Reithoffer hat sich durch seine Erfindungen den Anspruch auf 
den Dank des Vaterlandes erworben. Er hat Tausenden von Arbeitern 
einen von den Launen der Mode unabhängigen Erwerb verschafft. 
Seine Fabricate haben ihren Markt auch jenseits des Oceans. Er 
kaufte den Rohstoff aus dem Auslande und sandte die verfeinerte 
Waare zurück, für Oesterreich den Arbeitslohn und den Unterneh 
mungs-Gewinn reservirend *). 
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*) Nach statistischen Erhebungen bestanden bis zum Jahr 1867 an 
300 Fabriken in der neuen und alten Welt, die sieh mit Anfertigung von 
Gummi-Waaren beschäftigten. 
Die beste Qualität des Rohstoffes kommt aus Brasilien: Paragummi 
genannt, und -wird von 10.000 Indianern eingesammelt (jährlich 20.000 Cent 
ner). Die Quantitäten, die aus Ost- und West-Indien, Central-Amerika und 
Afrika auf den Weltmarkt gelangen, betragen 68.000 Centner, wovon 
4000 Centner nach Oesterreich kommen. 
Anfangs erzeugte die Reithoffer’sche Fabrik blos Webe - Artikel und 
Gummibänder, es wurden an 100.000 Dutzend Hosenträger alljährlich 
producirt. 
In den späteren Jahren traten chirurgische und orthopädische Appa 
rate, und wasserdichte Bekleidungs - Stoffe in den Vordergrund, in einer 
spätem Periode fiel der Schwerpunct in die Schuh - Fabrication, und in 
neuester Zeit werden besonders Stiefletten - Einsätze, Kämme und zwar 
Sorten im Preis von 30 kr. bis 12 fl. per Dutzend, Schläuche, Puffer, Riemen 
und viele andere Artikel für Zucker- und Spiritus-Fabriken, Brauereien und 
chemische Fabriken in grossen Massen erzeugt. 
Die Reithoffer’sche Fabrik zu Wimpassing arbeitet mit 3 Dampf- 
Maschinen von 120 Pferdekraft, und einer Wasserkraft von 120 Pferdekraft 
mit 800 Arbeitern. Diese Fabrik erzeugt per Woche 15.000 Paar Schuhe, 
10.000 Dutzend Kämme, 2500 Ballen, 3000 Pfund Gummi - Fabricate 
für technische Zwecke , 500 Mäntel und Röcke und 1500 Pfund Gummi- 
Fäden. 
Wenn man bedenkt, dass noch im Jahre 1771 in London ein halber 
Cubik-Zoll Kautschuk zu 3 Schilling verkauft wurde, nachdem dieser schon 
seit 1723 von dem Franzosen Condamine beschrieben worden war, so ist es 
wahrhaft staunenerregend, zu welch fabelhafter Höhe sich die industrielle 
Verwendung dieses Stoffes erhoben hat.
	        
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