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Volltext: Beiträge zur Geschichte der Gewerbe und Erfindungen Oesterreichs von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart ; Weltausstellung 1873 in Wien ; Erste Reihe: Rohproduction und Industrie

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mit der Erzeugung bunt gefärbter Glasmassen beschäftigt, solche 
zu Stangen zogen und als Perlen, künstliche Edelsteine u. s. w.*) 
verarbeiteten. Aus dieser Abzweigung in jener Gegend, zu hoher 
Stufe gebracht, entstand auch die Glas-Spinnerei**). 
Die Glas-Malerei nahm raschen Aufschwung. Man hatte sich 
von dem nochmaligen Einlegen der bemalten Gläser in die grossen 
Glas-Oefen losgesagt, und wandte selbständige Muffel-Oefen an, worin 
der Hitzegrad besser regulirt und das Einschmelzen der Farben 
(Einbrennen genannt) mit geringerer Gefahr für das Schmelzen und. 
Zerspringen der Gefässe ausgeführt werden konnte. 
*) Pierre de Strass. — Eggermann, Erfinder des Lithyalins (1820). 
Inerustationen von Pohl in Neuwald. 
**) Als die Baumwoll - Industrie sieh entwickelte, gab die bisher mit 
dem Spinnen und Weben des Flachses beschäftigte Bevölkerung von 
Reichenau ihre Arbeit als nicht mehr lohnend auf, wandte sich der Glas 
industrie zu und holte sich von Gablonz die Glas-Compositions-Arbeit. 
Eine eigenthümlich erzeugte Glasmasse (Pierre de Strass), die in Folge 
ihrer Bleihältigkeit ein grossesLichtbreehungs-Vermögen besitzt, wird durch 
chemische Zusätze zur Glasmasse (hauptsächlich durch Metall-Oxyde) ver 
schieden gefärbt und die Farbe der Edelsteine: Rubin, Saphir, Topas, 
Amethyst, Smaragd,Chrysopras, Chrysolith, Aventurin, Carneol, Aquamarin, 
dann des Bernsteins und so w r eiter, täuschend hervorgebracht. An die 
gefärbten Gläser werden Facetten angeschliffen. Diess geschieht zuerst auf 
einer durch mechanische Kraft in Rotation versetzten Steinplatte und durch 
darauffolgendes Poliren auf einer rotirenden Zinnscheibe. Derartige Glas- 
Compositionen werden in einer Vollkommenheit erzeugt, dass selbst Kenner 
oft zur Ermittelung des specifischen Gewichtes und der Härte ihre Zuflucht 
nehmen müssen, um sich über die Echtheit Gewissheit zu verschaffen. Die 
geschliffenen Fass-Steine werden entweder direct nach England, Frankreich 
und Amerika oder als Glas-Quincaillerie-Waare (unechter Schmuck) von 
Gablonz aus nach allen Weltgegenden, bis Afrika, Ost-Indien, Nord- und 
Süd-Amerika etc. versendet. 
In den sechziger Jahren florirte dieser Industrie-Zweig besonders, 
w'eil die Mode damals bei Frauen-Kleidern derartige Glas-Compositionen als 
Aufputz verlangte. 
Das Fassen dieser geschliffenen Glassteine bildet einen selbständigen 
Industrie-Zweig, die Gürtlerei. Das Roh-Material dazu ist Tomback oder 
Messing, auch Neusilber, Bronce oder eine andere Legirung von Kupfer. 
In Gablonz werden diese Fassungen aus Tomback und Messing oft auch ver 
schieden gravirt, so dass auch eine grosse Anzahl Graveure durch diese 
Industrie reichliche Beschäftigung findet. 
Was die Glas-Spinnerei anbelangt, so wurde für dieselbe in neuester 
Zeit ein Fach-Unterricht in’s Leben gerufen, welcher abwechselnd in den an 
dieser Industrie betheiligten Orten des nördlichen Böhmens stattfinden soll. 
Der hiezu gewonnene Lehrer Brünfaut hat selbst um die Ausbildung dieser 
Art von Glas-Technik Verdienste. 
Die erste Glas-Schleiferei wurde 1732 in Neuwald errichtet.
	        
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