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mit der Erzeugung bunt gefärbter Glasmassen beschäftigt, solche
zu Stangen zogen und als Perlen, künstliche Edelsteine u. s. w.*)
verarbeiteten. Aus dieser Abzweigung in jener Gegend, zu hoher
Stufe gebracht, entstand auch die Glas-Spinnerei**).
Die Glas-Malerei nahm raschen Aufschwung. Man hatte sich
von dem nochmaligen Einlegen der bemalten Gläser in die grossen
Glas-Oefen losgesagt, und wandte selbständige Muffel-Oefen an, worin
der Hitzegrad besser regulirt und das Einschmelzen der Farben
(Einbrennen genannt) mit geringerer Gefahr für das Schmelzen und.
Zerspringen der Gefässe ausgeführt werden konnte.
*) Pierre de Strass. — Eggermann, Erfinder des Lithyalins (1820).
Inerustationen von Pohl in Neuwald.
**) Als die Baumwoll - Industrie sieh entwickelte, gab die bisher mit
dem Spinnen und Weben des Flachses beschäftigte Bevölkerung von
Reichenau ihre Arbeit als nicht mehr lohnend auf, wandte sich der Glas
industrie zu und holte sich von Gablonz die Glas-Compositions-Arbeit.
Eine eigenthümlich erzeugte Glasmasse (Pierre de Strass), die in Folge
ihrer Bleihältigkeit ein grossesLichtbreehungs-Vermögen besitzt, wird durch
chemische Zusätze zur Glasmasse (hauptsächlich durch Metall-Oxyde) ver
schieden gefärbt und die Farbe der Edelsteine: Rubin, Saphir, Topas,
Amethyst, Smaragd,Chrysopras, Chrysolith, Aventurin, Carneol, Aquamarin,
dann des Bernsteins und so w r eiter, täuschend hervorgebracht. An die
gefärbten Gläser werden Facetten angeschliffen. Diess geschieht zuerst auf
einer durch mechanische Kraft in Rotation versetzten Steinplatte und durch
darauffolgendes Poliren auf einer rotirenden Zinnscheibe. Derartige Glas-
Compositionen werden in einer Vollkommenheit erzeugt, dass selbst Kenner
oft zur Ermittelung des specifischen Gewichtes und der Härte ihre Zuflucht
nehmen müssen, um sich über die Echtheit Gewissheit zu verschaffen. Die
geschliffenen Fass-Steine werden entweder direct nach England, Frankreich
und Amerika oder als Glas-Quincaillerie-Waare (unechter Schmuck) von
Gablonz aus nach allen Weltgegenden, bis Afrika, Ost-Indien, Nord- und
Süd-Amerika etc. versendet.
In den sechziger Jahren florirte dieser Industrie-Zweig besonders,
w'eil die Mode damals bei Frauen-Kleidern derartige Glas-Compositionen als
Aufputz verlangte.
Das Fassen dieser geschliffenen Glassteine bildet einen selbständigen
Industrie-Zweig, die Gürtlerei. Das Roh-Material dazu ist Tomback oder
Messing, auch Neusilber, Bronce oder eine andere Legirung von Kupfer.
In Gablonz werden diese Fassungen aus Tomback und Messing oft auch ver
schieden gravirt, so dass auch eine grosse Anzahl Graveure durch diese
Industrie reichliche Beschäftigung findet.
Was die Glas-Spinnerei anbelangt, so wurde für dieselbe in neuester
Zeit ein Fach-Unterricht in’s Leben gerufen, welcher abwechselnd in den an
dieser Industrie betheiligten Orten des nördlichen Böhmens stattfinden soll.
Der hiezu gewonnene Lehrer Brünfaut hat selbst um die Ausbildung dieser
Art von Glas-Technik Verdienste.
Die erste Glas-Schleiferei wurde 1732 in Neuwald errichtet.