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Yon dieser Zeit an hat die Schirm-Industrie in Oesterreich einen
riesigen Aufschwung genommen.
Bald wurden Hohlschienen auch in Solingen und Teplitz erzeugt
und jetzt liefert die Fabrik Schüller & Sohn in Wien sehr gute feste
Schienen und andere Schirm-Bestandtheile.
Noch vor 30 Jahren war in Oesterreich der jährliche Consum
in Sonn- und Begen-Schirmen einsehr unbedeutender, und betrachtet
man, wie vernachlässigt dieser Industrie-Zweig damals war, so müssen
wir staunen, welchen Umfang und welche Vollkommenheit diese
Fabrication heute erreicht. Was darin in so kurzem Zeiträume
geleistet wurde, davon geben nicht nur der Umsatz im Inlande,
sondern auch die grossen Verbindungen mit Bussland, der Türkei und
den Donaufürstenthümern, den sprechendsten Beweis. Wir können
wohl behaupten, dass Wien diesen Industrie-Zweig in Oesterreich
allein repräsentire, indem Laibach und Prag nur wenig und aus
schliesslich Baumwoll-Schirme fabriciren.
Noch vor zwei Decennien wurden die übrigen Länder Europa’s
von England mit Begenschirmen, und von Frankreich mit Sonnen
schirmen versorgt; die heimische Industrie leistete fast keinen
Widerstand und es war dem Auslande nur zu leicht gemacht, hier
festen Fuss zu fassen. In den letzten Jahren erst machten die hiesigen
Fabrikanten bedeutende Anstrengungen, durch bessere und doch
billigere Erzeugnisse die Ausländer zu verdrängen. Dass Wien heute
in diesem Zweige der Industrie 2—3000 Arbeiter beschäftigt und
einen jährlichen Umsatz von Millionen Gulden nachweisen kann, sind
höchst befriedigende Daten.
Wenn heute noch einzelne Kaufleute von England oder Frank
reich fertige Schirme beziehen, so istdiess nur dem althergebrachten
Yorurtheile zuzuschreiben, dass das Ausland besser und geschmack
voller arbeite. In Wirklichkeit sind jedoch unsere Erzeugnisse, wenn
nicht besser, so doch gewiss eben so gut, wie die ausländischen, sind
aber überdiess um 15—20 Procent billiger.
So dürfte es uns nicht schwer werden, binnen kurzem den
"Wiener Schirmen eine Weltverbreitung zu verschaffen.
Hermann Mayer.