Mode und Geschmack.
Mode und Cultur, die eine ewig wechselnd, auf und absteigend
in der Schönheit, die andere im Grossen und Ganzen stetig fort
schreitend, sie sind dennoch im allerengsten Zusammenhänge. Wer
der modernen Cultur angehört (wir meinen natürlich die Nation,
nicht den Einzelnen), der folgt auch der Mode; wer sie zurückweiset
und starr an einer vermeintlich echten National-Tracht festhält,
zu dessen Cultur-Zustand setzen wir ein bedenkliches Fragezeichen.
Die Mode ist das Kleid der Civilisation und ist es immer
gewesen, seitdem das Völker-Concert Europa’s, also schon seit
dem Mittelalter, begonnen hat. Wer an der Spitze der Civilisation
marschirt, der mag auch die Formen der Mode angeben, oder, da
hier bei der Entstehung der Modeformen noch ganz andere Factoren
mitarbeiten, wenigstens in ihnen vorangehen. Ohne Frage stand
Frankreich wirklich eine gute Zeit lang an der Spitze der Civilisation,
und so hatte es ein Recht, auch die Moden scheinbar vorzuschreiben.
Man würde aber irren, sie desshalb für eine specifisch französische
Tracht zu halten, wie etwa ein ungarisches oder polnisches Costüm;
nur die Spielformen sind es, die kleinen Varietäten, die in Frankreich
entstanden sind; die Grundformen, den Charakter bestimmt in der
That und Wirklichkeit die Weltgeschichte.
Es ist mit dem Geschmack nicht anders, wenn wir den Geschmack
nicht als die Fähigkeit, das Schöne vom Hässlichen zu unterscheiden,
auffassen, sondern als die gemeinsame künstlerische Ausdrucksweise
einer Zeit-Epoche in allen Dingen, wo Schönheit in Frage steht.
Hieraus geht hervor, dass Oesterreich, im Grossen und Ganzen
betrachtet, keine eigenen Moden und keinen eigenen Geschmack
haben konnte. Oesterreich folgt der Cultur und ist beständig der
selben gefolgt, mitunter allerdings zögernden Schrittes, ein wenig
nachhinkend, oder auch absichtlich gehemmt, mitunter aber auch