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Seite finden, die dem Orte oder Lande der Entstehung, die für
Oesterreich charakteristisch wäre. Diese Kunst sehen wir mit der
Gothik, der Renaissance, dem barocken Geschmack und dem Rococo
gleichen Schritt halten, nur dass vielleicht nach Deutschland zu mehr
die Schnitzerei, nach Italien zu eingelegte Holz-Mosaik zur Verwen
dung kommt, jedoch weder das Eine noch das Andere ausschliesslich.
Hier und da erhebt sich auch wohl in einem einzelnen Kunst-Zweige
eine Seite des Geschmacks oder des allgemeinen Kunst-Styles zu
einer, wenn nicht originellen, doch für Oesterreich hervorragenden
Bedeutung. Solches ereignete sich z. B. in der böhmischen Glas
industrie wie bei der kaiserlichen Porzellan-Fabrik in Wien.
Man kann vielleicht sagen, dass im achtzehnten Jahrhundert
die böhmische Glas-Industrie die Mode angab und dass sie in dieser
Beziehung an die Stelle der venetianischen trat. Ihre Weise bestand
in dem facettirten Schliff und mehr noch in den eingesehliftenen
Ornamenten auf einem möglichst farblos und krystallhell gemachten
Glase. Die böhmische Glas-Industrie verdankt diese Kunstweise den
wohl aus Italien gekommenen Krystall-Schleifern zu Prag, die dort
von dem Ende des 16. Jahrhunderts an unter Kaiser Rudolf und
seinen Nachfolgern ansässig waren. Das böhmische Glas des
18. Jahrhunderts ist mit seinem Material und seiner Ornamentations-
Weise (die Veränderung des Styls abgerechnet) offenbar eine Imitation
des Berg-Krystalls und seiner künstlerischen Verwertung. Dieser
Schritt in der Verwandlung des Glases hätte auch in Italien und
zumal in Venedig, wo die Krystall-Schleifer vor allem heimisch waren,
geschehen können; aber die Venetianer blieben ihrem geblasenen
Kunstglas getreu und entarteten und verkamen darin.
Auch die böhmische Glas-Industrie entartete gegen Ende des
achtzehnten Jahrhunderts in ihrer eigenen Weise, nicht blos, weil
der Geschmack sich änderte, sondern auch weil überhaupt die orna
mentale Kunst aller Orten versank. Da versuchten es die Böhmen,
mit einer anderen Manier sich auf dem Kampfplatz zu behaupten,
nämlich mit dem farbigen oder gefärbten Glas, in welchem wiederum
durch Schliff, durch Ausschleifung die Ornamentation hergestellt war.
Weil nun damals in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts alle Welt