539
sogenannte erhabene Gold, das ihr eigentümlich geblieben ist.
Weniger glücklich war säe in den Formen der Gefässe, während die
Malereien, Arabesken wie Figuren, mit äusserster Feinheit und Voll
endung ausgeführt wurden. Es war das für die Wiener Fabrik aber
nur eine glückliche Episode, die man vor allem der geschickten, auf
das Künstlerische gerichteten Leitung SorgenthaTs verdankt.
Im zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts begab sich unsere
Fabrik bereits wieder unter fremde Führung, wie früher unter Meissen,
so jetzt unter Sevres, welches in der ersten Hälfte des neunzehnten
Jahrhunderts, wenn auch in keineswegs glücklicher Weise, den
Geschmack im Porzellan angab.
Seit neuester Zeit nun hat sich in diesen Dingen vielerlei
geändert. Nicht im Gange der Mode, wohl aber in dem des
Geschmacks oder der Kunst-Industrie ist ein völliger Umschwung
eingetreten; eine absichtliche Reform hat begonnen, bei welcher
Oesterreich ohne Frage mit in erster Linie steht. Während in
früheren Zeiten das Kunstschaffen mehr oder weniger unbewusst
unter dem Einfluss des Zeitgeistes im bestimmten künstlerischen
Charakter geschah, oder, seitdem dieses aufgehört hatte, in der ersten
Hälfte unseres Jahrhunderts zielloses Suchen und principienlose
Willkür an Stelle einer bestimmten formellen Ausdrucks weise getreten
war, strebt man heute — man kann sagen, etwa seit einem Jahr
zehnt — in vollkommen bewusster Absicht eine Reformation der
Kunst-Industrie und des Geschmacks an, und zwar auf Grundlage
gesunder Principien und klarer Erkenntniss der den Dingen eigen-
thümlichen Schönheit, wie sie durch Material und Zweck bedingt und
bestimmt ist. Diese Umwandlung stellt sich dem bisherigen fran
zösischen Geschmack, der die Willkür, die Caprice, die Coquetterie,
die Neuheit zu seinem eigentlichen Elemente hat, diametral entgegen
und bekämpft ihn als ihren Widersacher. /
Es ist bekannt, dass diese Reform, die von England aus ihren
Anfang genommen hat, heute bereits sich grosser Erfolge rühmen
kann; es ist ferner bekannt, dass sie gegenwärtig vielleicht am
entschiedensten vom österreichischen Museum, das zu diesem Zwecke
gegründet worden, und von der österreichischen Kunst-Industrie