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Kreuzbeer-, und Farbholz-Extracten so erfreuliche Fortschritte, dass
der Färberei und dem Druck wesentliche Dienste damit geleistet
wurden. In diese Zeit, nämlich 1861/2, fällt die für Fixirung von
Mordants auf Baumwolle bedeutsame Einführung des Wasserglases,
welches bald den bisher verwendeten alterthümlichen Kuhkoth und
sogar die früheren Surrogate, phosphorsaure und arseniksaure Ver
bindungen, entbehrlich machte.
Der ephemere Import des Lo-Kao aus China (daher Chinagrün
genannt), welches trotz seines enormen Preises 533 fl. per Kilo, in der
Seiden-Färberei Anklang fand, bildet wohl die letzte Erscheinung
eines neuen dem Pflanzenreiche entnommenen Farbstoffes. Von nun
trat der riesige Umschwung ein, dass die Thätigkeit der chemischen
Laboratorien den vegetabilischen Lebens-Process ersetzt. Murexid
war deren erstes Product, welches Deponilly und Lanth aus Guano
billig darzustellen und auf allen Fasern geeignet zu fixiren verstanden
(1855/6). Ihnen folgt der Engländer Perkin mit der Erfindung seines
Anilin-Violetts 1856 (synonym mit Mauve-Violett, Indisin, Harma
lin etc.) und 3 Jahre später die Gebrüder Renard zu Lyon mit jener des
Fuchsins und des Bosanilinblau’s (bleu de Lyon, bleu de lumiere),
fortan drängt eine Entdeckung die andere, 1863 erscheint das Anilin-
Schwarz, als jüngst entdeckte Anilin-Farben das Aldehyd- und Jodgrün,
das Anilingelb und Orange [Chrysanilin]; nach den Anilin-Verbin
dungen, welche anfangs den Ausgangspunct der neuenFarbstoffe bilden,
werden die Abkömmlinge der Phenyl- und Naphtalin-Reihe mit in den
Kreis gezogen, die in nicht minderer Mannigfaltigkeit die herrliche
Farben-Scala der Steinkohlen-Theer-Producte bereichern. Aus der
ersten ging die Pikrin-Säure, das Phenylbraun (Vesuvin), Coraflon und
Azulin hervor, aus der Naphtalin-Reihe das Magdalaroth, Victoria-
Orange, Naphtalingelb, endlich aus Anthracen- oder Paranaphtalin
das künstliche Alizarin, 1869 durch Grübe und Liebermann in Berlin
entdeckt, eine ebenso glänzende Errungenschaft der Chemie, wie es
seiner Zeit die Darstellung des künstlichen Harnstoffes durch Wöhler
war. Es bedarf nur noch des einen Triumphes — die künstliche Dar
stellung des Indigo, die kein Jahrzehnt auf sich warten lassen wird,
um die riesige Umwälzung, Ke sich der Farben-Chemie bemächtigt