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Diese Vorschläge wurden dem Staatsministerium am 3. März 1866
in einer eigenen Denkschrift vorgelegt, welche nach eingehender Schil
derung der kunstindustriellen Zustände in Oesterreich und der Reform
bestrebungen in anderen Ländern, vorzüglich in England, zu dem Er
gebnis gelangte, es sei eine Anstalt zu gründen, welche nicht Arbeiter,
sondern Künstler und Lehrer zu bilden haben würde: Künstler, welche
allen Anforderungen der Kunstindustrie genügen können, den Fabriken
Zeichnungen und Modelle liefern, künstlerischen Schwung in das Hand
werk bringen; — Lehrer, welche künstlerisch ausgebildet und mit den
Aufgaben und Darstellungsmitteln des Kunstgewerbes vertraut, den
Zeichenunterricht an Fach-, Real-, Gewerbschulen u. s. w. in die rich
tige Bahn zu lenken vermögen.
Die Anträge wurden im niederösterreichischen Landtage aufs
Wärmste unterstützt, vom Unterrichtsrath am 18. Februar 1867 geneh
migt, und aus den Berathungen dieser Behörde mit Fachmännern ging
im Juni desselben Jahres das Statut der Kunstgewerbeschule hervor,
welches im September die a. h. Genehmigung erlangte.*) Es wurde
bestimmt, dass diese aus vier Fachschulen, für figurales Zeichnen, für
Architectur in ihren Beziehungen auf die Hauseinrichtung u. s. w., für
kleine Plastik und für Blumen-, Thier- und Ornamentenmalerei bestehen
und mit einer Vorbereitungsschule versehen werden solle. Ausserdem
wurde Unterricht in theoretischen Fächern, als: Anatomie, Farbenlehre
und Farbenchemie, Perspective und Projectionslehre, Styllehre u. s. w.
in Aussicht genommen.
Für die ordentlichen Schüler nimmt der Unterricht den ganzen Tag
in Anspruch. Um jedoch auch jungen lauten, welche ihrem Erwerbe
nachgehen müssen, Gelegenheit zur Ausbildung im Zeichnen in ihren
Freistunden zu geben, ist eine zweite Kategorie, die „Hospitanten”,
geschaffen worden. Auch Mädchen finden Aufnahme in die Vorbereitungs
schule oder in die Fachschule für Blumenmalerei und von dieser Ver
günstigung wird umfassender Gebrauch gemacht.
Als verbindendes Glied zwischen Schule und Museum und als Organ
der Schule gegenüber dem Ministerium wurde ein Aufsichtsrath bestimmt.
Gleichzeitig mit der Publication der Statuten erfolgte die Ernen
nung derHerren Ernst Brücke, Universitätsprofessor, Eduard v. Engerth,
Professor an der Akademie der bildenden Künste, Architect Heinrich
v. Ferstel und Josef v. Reckenschuss, Mitglied (gegenwärtigPräsident)
der niederösterreichischen Handels- und Gewerbekammer, zu Mitgliedern
des Aufsichtsrathes. Und nachdem nach den Vorschriften der Statuten
die Organisation der Schule ausgeführt, Lehrer und Docenten berufen
*) Siehe Beilage D.