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haben. Doch kann mit allem Grunde vermuthet werden,
dass, wie überhaupt den liturgischen Gewändern der
Bischöfe und Priester nicht blos die Gewänder der Se
natoren des classischen Borns, sondern auch und zwar
insbesondere die Ornate der Hohenpriester des alten
Testamentes zu Vorbildern gedient haben, auch dies
bei dem ursprünglichen Kopfschmuck des Bischofs (la-
mina aurea, corona) der Fall war, wenn ein solcher
überhaupt bei sämmtlichen Vorstehern der christlichen
Kirche als vorhanden angenommen werden kann.
Anders ist es mit der Zeit vom IV. bis VIII. Jahr
hundert, aus welcher uns manigfaltige noch erhaltene
Quellen mit ziemlicher Sicherheit belehren, dass damals
diese mit der besonderen bischöflichen Kopfbedeckung
vereinigten Abzeichen der kirchlichen Würde meistens
die Gestalt von Kronreifen hatten, ähnlich königlichen
Diademen, und zwar jenen damaligen Votivkronen, die
gut erhalten durch mehr als ein Jahrtausend hindurch
noch unsere Tage erreicht haben.
Unter diesem Reife und wahrscheinlich auch mit
telst desselben festgehalten, trug man meistens eine
Art Kopfschleier, ein Stück feinen Stoffes, meistens
Linnen (byssus),.grösstentheils von weisser Farbe, von
länglich viereckiger Gestalt, welcher das Haupt, um das
es entweder gelegt oder auch gewunden war, verhüllte.
Die Zipfel hingen nach rückwärts herab und bedeckten
Hals und Bücken des Trägers. Leider hat sich auch
aus dieser Zeit kein derartiges Gewandstück erhalten;
denn die noch vorhandenen bischöflichen Mitren reichen
hinsichtlich ihrer Anfertigungszeit nicht über das XI.
Säculum zurück. Obschon man diese reifförmige Grund
form und die runde, dem Haupte mehr anpassende Ge
stalt der auszeichnenden bischöflichen Kopfbedeckung
auch noch fernerbeibehielt, so begann doch im IX. Jahr
hundert in den verschiedenen Ländern des christlichen
Abendlandes eine allmälige Umgestaltung derselben
platzzugreifen, die sich besonders in der Ausdehnung
nach der Höhe charakterisirte. Bis in das XII. Jahr
hundert dauerte diese Umgestaltung, ohne dass es schon
damals aus dem Hinundherschwanken zu einer neuen
einheitlichen Form gekommen wäre; ja vielmehr haben
sich gerade aus dieser Zeit die verschiedenartigsten
Formen der Mitra erhalten, wie uns zahlreiche Bild
werke darüber belehren. Dazu kam noch, dass im
X. Jahrhundert das Gewicht dieser Kronreifen in Folge
des darauf angebrachten reicheren Steinbesatzes und
des vermehrt verwendeten Metalles zu schwer und zu
drückend geworden sein mag, daher man anfing, unbe
schadet der Grundform, den metallenen Beif durch Bän
der aus kostbaren Stoffen, mit werthvoller Stickerei ge
schmückt zu ersetzen.
Erst mit dem XII. Jahrhundert wurde die Form der
bischöflichen Mitra hinsichtlich Umfang und Verzierungs-
weise als eine ziemlich feststehende und von den Bischöfen
des Abendlandes fast allgemein angenommen. Das Vor
bild für diese damals entstandene allgemeine Mitrenform
Fig. 89. (Admont.)