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ich gegen einige Andeutungen des Herausgebers der jüngsten Berliner.
Teppich-Publication voranbringen hatte. Damit soll selbstverständlich der
hohe Werth der Publication keineswegs in Zweifel gesetzt sein. Enthält
doch der so knapp gehaltene Text genug der Dinge, die nicht blos dem
überhaupt für jede Aufklärung dankbar sein müssenden großen Publicum,
sondern auch dem mit der Materie vertrauten Fachmann eine schätzens-
werthe Bereicherung seiner Kenntnisse verschaffen. Ich verweise zum Be-
lege hiefür blos auf das Teppichbild mit der Gruppe von Drachen und
Foho aus dem Trecento und den die Gruppe wiederholenden Teppich
auf Tafel 14, wodurch auch auf eine Anzahl früher bekannt gewordener
Seidenstoffe mit ähnlicher Musterung ein Licht fällt, und auf die Teppiche
der beiden letzten Tafeln, die für das bisher völlig mystische Capitel von
der vormaligen Existenz einer spanischen Teppichknüpferei sehr beachtens-
werthe Beiträge an die Hand geben. A. Riegl.
Ueber Freiheit und Gesetzmässigkeit der kirch-
lichen Kunstformen.
Von Dr. H. Swoboda.
(Schluss)
Das erste dieser drei Gesetze findet also seine Anwendung dort, wo
keine traditionelle oder kirchlich officielle Entscheidung entgegensteht. ln
diesem Falle ist der Künstler frei, d. h. er ist blos den künstlerischen
Forderungen, nicht aber einer liturgischen Entscheidung unterworfen und
genießt die Freiheit, soweit dieselbe mit dem sittlichen Ernste und dem
gläubigen Standpunkte vereinbar ist. Gegen diesen gewiss selbstverständ-
lichen Satz haben der Kirche gutgesinnte Schriftsteller unserer Tage eine
Frage aufgeworfen, deren Beantwortung -um so wichtiger ist, als sie die
architechne, die wichtigste der Künste betriift: die schon oben berührte
Frage nach der Kirchlichkeit dieses oder jenes Baustiles. Eine Frage, die
gerade vom strengsten kirchlichen Standpunkte aus leicht und sicher und
gewiss zur Zufriedenheit aller Künstler längst zu lösen gewesen wäre!
Jeder der in christlicher Zeit üblichen Stile ist erlaubt,
denn über keinen haben wir eine officielle kirchliche Entscheidung pro
oder contra, noch kann bei irgend einem eine traditionelle ausschließ-
liche Uebung nachgewiesen werden. Jeder Stil ist kirchlich, weil die
Kirche jeden für ihre Zwecke benützt hat, von den goldenen Basiliken
Roms mit ihren jonischen und korinthischen Bestandtheilen, von den Lotos-
und Paltnencapitälen Nordafrikas angefangen. Waren die Märtyrerkünstler
der ersten Jahrhunderte weniger vCl1TlSIllChu gesjnm, da Sie mit dirggj
heidnischen Formen arbeiteten? Säule, Pfeiler, Capitäl, Rundbogen oder
Strebesystem sind an sich weder christlich noch heidnisch; die bischöf-
liche Weihe allein gibt dem Bauwerk eine Art Taufe und verleiht ihm