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Volltext: Wiener Porzellan vom Spätbarock zum Art Déco

Nach der Übernahme der Privatmanufaktur du Paquiers durch den Staat suchte man - 
bis auf vereinzeltes Fortleben bekannter Motive (Abb. 6, S. 15) - neue Formen und De- 
kore und fand sie teilweise in Meißener Vorbildern. Der stilistische Umschwung zum 
Rokoko setzte ein, begleitet von einer weiterhin fortlebenden starken Strömung der 
Chinoiserie (Abb. 7-12, S. 18-27), manchmal kombiniert mit europäischem Formen 
gut. 
Wiener Kaufrufe (Apfelfrau, Abb. 23, S. 50; Schuster, Abb. 24, S. 51, Barometerverkäu 
fer, Abb. 28, S. 59), mehrteilige Gruppen (Abb. 13, 14, S. 30, 31), Tierfiguren (Maus als 
Deckeldose, Abb. 16, S. 35; laufender Eber, Abb. 15, S. 34), Familiengruppen (Abb. 13, 
S. 30), eine „Guckkastengruppe“ (Abb. 14, S. 31), Putti mit dem Medaillon der drei Gra 
zien (Abb. 25, S. 54) oder als Gegenstücke mit Gewürzschalen (Abb. 26, S. 55) stehen 
repräsentativ für diese Hochblüte des Rokoko. 
Französisch beeinflußt, ins Wienerische übersetzt, sind zwei Kinderfiguren (Abb. 29, 
S. 62, Abb. 30, S. 63); französischer Mode unterworfen, bis zur „Coiffure“, das „vor 
nehme Paar“ (Abb. 61, S. 74). Das Mädchen mit Korb zeigt ebenso wie eine mehrfigu- 
rige Gruppe den besonderen Reiz des glasierten, unbemalten Porzellans (Abb. 32, 
S. 67), dem die Buntfarbigkeit einer nahezu identischen Gruppe gegenübersteht 
(Abb. 31, S. 66). Die Rokokoidylle (Abb. 47, S.70), der Poet in theatralischer Gestik 
(Abb. 48, S. 71) sind wichtige Beispiele in der kaum überschaubaren Fülle der figuralen 
Rokokoplastik, die im Mikrokosmos des „Zwettler Tafelaufsatzes“ (heute im Österrei 
chischen Museum für angewandte Kunst) mit der Mittelgruppe (Putti bei der Porzella 
nerzeugung), den vier Kardinaltugenden, mythologischen Baumgruppen, Jahreszei 
tenfiguren, Kaufrufen, Amoretten u. v. a. gespiegelt erscheint. 
Die fröhliche Farbigkeit der goldgehöhten purpurfarbenen Rocaille mit bunten Blu 
menbouquets und Streublumen dominiert viele Geschirrformen (Abb. 17, S. 38); über 
Blumendekore (Abb. 18, S. 39), blütengezierte Goldmonogramme (Abb. 19, S.42), 
phantastische Architekturen (Abb. 20, S. 43), „Watteaufiguren“ (Abb. 22, S. 47) führt 
die Ikonographie der Rokokomalerei bis zu vielfigurigen Schlachtenszenen, Bauernfi 
guren, Genrebildern auf Frühstückservicen. 
Mit der „Sorgenthalzeit“ (1784- 1805) setzt die Stilepoche des Klassizismus im Wiener 
Porzellan ein; antikisierende Dekore aller Art wurden aufgenommen, pompejanische 
Figuren ebenso wie „hetruskische“ Ornamente. Thematisch umfaßt die Wiener Porzel 
lanmalerei dieser Zeit ein großes Spektrum. Die Figuren- und Historienmalerei konzen 
trierte sich auf Allegorien (Abb. 80, S. 78), Porträts (Abb. 62, S. 75), Silhouetten, my 
thologische und antikisierende Darstellungen (Abb. 91, S. 82), Imitationen rotfiguriger 
Vasenmalereien, antiker Kameen und ostasiatischer Lackarbeiten, Jahreszeiten, Putti, 
Tierdarstellungen (Abb. 81, S. 79) u. v. a. Das „Dessin“ mit antikisierenden Ornamenten 
(Akanthusranken, Vasen, Greifen, Palmetten, Füllhörnern usw.) wurde zur höchsten 
Vollendung entwickelt (Abb. 136, S. 91). Die Kombination von Reliefgolddekoren mit 
„leithnerblauem“ Fond oder Kupferlüsterfond gehörte zu den vielbewunderten Wiener 
Leistungen. Die Landschaftsmaler bedeckten die Wandungen ganzer Service mit Male 
reien vorzugsweise italienischer oder österreichischer Ansichten, bei denen die Seuf 
zerallee im Augarten (Abb. 152, S. 95) nicht fehlen durfte. Die vorwiegend geradwandi- 
gen Geschirrformen des Klassizismus eigneten sich für diese Malereien ganz beson 
ders. 
Auf dem Gebiete der Porzellanplastik wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts das un 
glasierte Porzellan - das Biskuit - in Anlehnung an antike Marmorstatuen als adäquates 
Material empfunden. 
Im Biedermeier wurde die prunkvolle, kostbare Malerei des Klassizismus weitgehend 
von den reizvollen „leichten Dessins“ abgelöst, wiewohl es nach wie vor reich vergol 
dete Prunkservice und -tassen mit aufwendigen Dekoren gab und die Hochblüte der 
Blumenmalerei auf großformatigen Porzellanplatten einsetzte, wobei der Blumenmaler 
Nigg durchaus auch „Tierstücke“ nach Hondecoeter in Porzellanmalerei ausführte 
(Abb. 92, S. 83). 
Im Tafelgeschirr ist gegenüber den meist zylindrischen klassizistischen Formen eine 
nahezu spielerische Formenvielfalt geschwungener Wandungen und abwechslungs- 
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