beflügelte, schmetter-
lingumflatterte, allego-
rische Figur der „Liebe"
drängen, um sich an den
Fruchtspenden zu betei-
ligen. DieEinführung ei-
nes neutral grauen Klei-
des als Hauptnote in der
Mitte des farbenfrohen
Bildes, gerade wo man
die stärkste Farbe er-
warten würde, ist ent-
schieden ein glücklicher
Einfall. Die zwei kleinen
Gestalten in Florentiner
Kostüm links im Hinter-
grunde stellen wieder
den Künstler selbst und
seine Braut vor - eine
Manifestation von lie-
benswürdigem Egois-
mus, welche bei Byam
Shaw nicht selten anzu-
treffen ist und Welche
man ihm kaum übel-
nehmen kann.
Des Künstlers echt
schottischer, trockener
. Humor findet seinen
besten Ausdruck in dem Gemälde „Die Wahrheit". Leider geht in der Repro-
duktion manches Detail der Allegorie verloren, wie zum Beispiel die drän-
gende Volksmasse, welcher im Hintergrund von einer Schar BewaHneter
der Zutritt zu der nackten Wahrheit verwehrt wird. Köstlich sind die
Gestalten des schlau schmunzelnden Königs, der beiden boshaft flüsternden
Höflinge und des die Lampe der Wahrheit prüfenden Narren. Der Grund-
gedanke ist natürlich, dass die nackte Wahrheit verkleidet und zugerichtet
werden muss, ehe man dem Volke Zutritt gestatten kann.
Aus all diesen Bildern kann man ersehen, dass Byam Shaw ein selten
gedankenreicher, phantasievoller Maler ist, doch ist sein Genie durchaus
literarischer Art. Künstlerische Abstraktion ist nicht seine starke Seite und
alles, was er malt, ist rein körperlich. Die Gedanken fliegen bei ihm weit über
die Erscheinungswelt weg; in der Ausführung klebt er an der Scholle. Sein
Heiland in „Christus der Tröster" weist auf das Atelier-Modell, seine Engel
sind buntbeflügelte Menschen, das Übernatürliche findet bei ihm keinen
Byam Shaw, „Die Rosen sind so rot"
adäquaten Ausdruck.
Dabei hat merkwür-
digerweise Poesie und
Allegorie für ihn eine
unwiderstehliche An-
ziehungskraft. Vor zirka
drei Jahren hielt er in
der Dowdeswell-Gale-
rie eine Ausstellung von
zirka 40 Gemälden nach
Zitaten aus den Werken
berühmter englischer
Dichter. Für denselben
Kunsthändler malt er
gegenwärtig eine neue
Serie von Illustrationen
odervielmehrKommen-
taren der Sprüche aus
dem Buche „Der Pre-
diger Sa1omo",von wel-
chen wir einige mit der
gütigen Erlaubnis der
Herren Dowdeswell re-
produzieren. Vom male - '
rischen Standpunkt be-
trachtet bezeichnen
diese Bilder eine neue
EPOCTIC in Byam ShaWS Byam Shaw, „Die Liebe stark, wie m! der Tod"
Karriere. Sie zeigen
grösseren Ernst und weniger Launenhaftigkeit und sind koloristische Meister-
werke. Die Pinselführung ist bedeutend breiter, die Farbe glühend, aber
durchwegs harmonisch.
Als Illustrator nimmt Byam Shaw eine leitende Stellung in einem Lande
ein, welches in dekorativer Buchausschmückung in den letzten Jahrzehnten
tonangebend gewesen ist. Zu seinen bedeutendsten Leistungen auf diesem
Gebiet gehören seine Illustrationen zu Robert Brownings Gedichten und zu
Shakespeares Dramen (beide im Verlag von George Bell 8: Son erschienen)
und seine Illustrationen zu Boccaccios Decamerone (George Allen). Seine
Shakespeare-Zeichnungen unterscheiden sich von denen Sirjohn Gilberts und
Edwin Abbeys hauptsächlich dadurch, dass sie nicht beabsichtigen, die
Bühnenvorgänge realistisch darzustellen, sondern als dekorative Buch-
Verzierungen dienen.
Was immer man an Byam Shaw's Werk zu tadeln finden kann, was
immer das empfindliche Auge bei ihm beleidigen mag, ist es doch unleugbar,