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Volltext: Katalog der Wiener-Congress-Ausstellung 1896

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mit den Napoleoniden abgefunden — die Idee des politischen 
Gleichgewichtes, die Furcht vor einer franco - russischen Allianz 
und vor neuen revolutionären Bewegungen wirkten mächtiger in 
ihm, als alle Begeisterung für das historische Recht und die alten 
Ordnungen. In der deutsch-nationalen Bewegung sah er gleich 
falls nur mehr eine Quelle neuer Unruhen und neuer Verwick 
lungen, und wenn es darauf ankam, das entscheidende Wort zu 
sprechen und den Protestantismus, den er einst als die Wurzel 
alles revolutionären Uebels bezeichnet hatte, abzuschwören, so 
wich er immer wieder zurück. Selbst die Schrecken der Hölle, mit 
denen fromme Freunde den Epikuräer, dem vor dem Tode graute, 
zu ängstigen pflegten, machten dann keinen Eindruck auf ihn. Es 
trat hervor, dass er doch auch aus dem 18. Jahrhundert kam und 
dass er einst zu den Füssen Kant’s gesessen war. Ja, Friedrich 
Schlegel hatte ganz Recht, wenn er damals zürnend schrieb, Gentz 
sei gar kein Conservativer mehr; er huldigte in der Praxis ganz 
der nüchternen Staatsweisheit des aufgeklärten Absolutismus. Aber 
so wie er war, war er den Machthabern recht. Die Wenigen unter 
ihnen, die, wie der Czar Alexander, wirklich ganz und gar im 
Ideenkreise der neuen politischen Romantik lebten — er gab den 
Polen eine Constitution, er war der erste Monarch, der den wieder 
hergestellten Jesuiten-Orden in seine Staaten rief — die täuschte 
seine Vergangenheit, sie meinten, er sei noch einer der Ihrigen. 
Und nun aber, in den niedrigeren Regionen, da sind noch 
eine Menge von Persönlichheiten, von denen eine jede ein indi 
viduelles Verhältniss zu den grossen Fragen der Zeit hat, und die 
wir in der Gesellschaft, welche uns G-örres vorführt, so wenig 
finden, wie auf dem offlciellen Congressbild Isabey’s in Windsor 
Castle. Wir wollen hier nur Jener gedenken, die aus den unge 
heuren Erfahrungen der letzten Jahrzehnte blos die Ueberzeugung 
gewonnen hatten, dass die Menschengeschichte ein sinnloses, un 
vernünftiges Durcheinander sei und nicht werth, dass man ernsten 
Willen und Kraft an sie setze. Sie sind heute vergessen, aber 
damals wirkten sie, wie solche Naturen meist, als ein starkes 
gesellschaftliches Ferment. Varnhagen nennt besonders drei von 
solchen Persönlichkeiten: den russischen Obersten Grafen Karl 
Nostitz, den Frankfurter Rechtsgelehrten Dr. Jassoy und den 
Berliner Wiesel — Wiesel schlechtweg. In ihnen war „Verneinung, 
Satire und Holm incarnirt, sie folgten allen Erscheinungen und
	        
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