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Unter den anderen Industrieen nimmt vornehmlich auch
die Seidenzeugindustrie in dieser Epoche, von vorübergehenden
Schwankungen abgesehen, grossen Aufschwung. Er beginnt schon
unter der Regierung Maria Theresia’s mit jenem berühmten Patente
vom Jahre 1749. welches mit äusserster Strenge das Prohibitiv
system einführt und u. A. den Import aller kostbaren Seiden
zeuge untersagt. Kaiser Joseph lässt sich die Herbeiziehung von
Meistern und Hilfsarbeitern aus dem Auslande angelegen sein,
er fördert die Einführung von Maschinen.. er gewährt den Fabri
kanten Vorschüsse, den Lehrlingen Erziehungsbeiträge und ist
auf die Hebung der Seidenzucht in Südungarn bedacht. Eine
Qualitätsordnung vom Jahre 1770 nimmt direct Einfluss auf die
Güte der Waare, eine Beschränkung der Fabriksniederlassungen
soll den Bestand der Industrie sichern. Die älteste der Wiener
Seidenstofffabriken, welche bis auf unsere Tage fortgeführt wurde
und unter Kaiser Franz epochemachende Neuerungen schuf, war
jene, welche der Hamburger Christian Gottlieb Hornbostel für
Rechnung eines Hamburger Hauses errichtet hatte. Durch die
Aussperrung der ausländischen Erzeugnisse begünstigt, arbeitet
diese Fabrik schon im Jahre 1790 mit 200 Stühlen. Hornbostel’s
Sohn und Nachfolger Christian Georg erfindet im Jahre 1816 den
selbsttätigen Seidenwebstuhl, vorher schon hatte Aegyd Arzt
die Spülmaschine construirt; in den folgenden Jahren führen
Hornbostel und die Brüder Mestrozzi die Jacquard-Maschine ein,
Mascot und d’Albini überbringen von Bologna das lange gehütete
Geheimniss der Crepe-Erzeugung. In den Jahren 1797 bis 1801
betreiben die niederösterreichischen und Wiener Fabriken 8000
Stühle, im Jahre 1813 bestehen in Wien allein 600 Fabriken mit
6000 Gesellen, 800 bis 900 Lehrlingen und 7000 bis 8000 Ar
beiterinnen, deren Verwendung in dieser Industrie bereits Maria
Theresia gestattet hatte. Auch die Seidenbanderzeugung entwickelt
sich gleichzeitig, ebenso die Sammtbandproduction und Posa-
menterie; wir begegnen schon zu Anfang des Jahrhunderts einer
Reihe auch heute noch bekannter Namen, im Jahre 1813 sind
1500 Maschinstühle für Seidenbänder in Wien in Thätigkeit.
Auch auf das Costüm der Zeit einen Blick zu werfen, sei
gestattet. Nur wenig ist an Originalen erhalten; zahlreiche
Abbildungen füllen jedoch diese Lücke. Wunderliches und Kleid
sames mischt sich in der Epoche in eigentümlicher Weise.