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Aber schon in den Zwanziger Jahren beginnt jenes Anschwellen
und Aufblähen, welches um die Mitte des Jahrhunderts wieder
zum Reifrocke führt, den die französische Revolution völlig ver
nichtet zu haben wähnte.
Noch im Rahmen der unserer Betrachtung unterliegenden
Periode vollzieht sich ein neuer Umschwung, in der Literatur
längst vorbereitet, nun auch in der bildenden Kunst: die Romantik.
Sie entwickelt sich schon vor dem Sturze Napoleons, ja auä den
patriotischen Empfindungen, welche seine Schreckensherrschaft und
die Leiden und Kränkungen, die er verbreitet, erwecken. Aber ihr
Entstehen hat noch andere tiefere Gründe. Die antikisirende Richtung,
zu wenig Renaissance, nicht volksthümlich, gelehrt, ohne nationale
Färbung, befriedigt wohl den Historiker, der den Ursprung der
modernen Bildung im classischen Alterthum sucht und findet, nicht
aber die Masse des Volkes, welche nur dann ein Verhältniss zur
Kunst gewinnt, wenn diese nicht blos den Verstand, sondern auch
das Gemüth anspricht. Und mehr noch. Die Hinwendung zur
Antike war eine Frucht der Aufklärungs-Epoche, welche alle
religiösen Empfindungen des Volkes untergraben und verspottet
und an die Stelle der Liebe zum eigenen Volke das Weltbürger
thum gesetzt hatte. Religiöse und nationale Empfindungen lassen
sich auf die Dauer nicht vernachlässigen; für eine Weile nieder
gehalten, brechen sie mit elementarer Kraft aufs neue hervor
und verlangen ihr Recht. Man hat die Romantik Reaction ge
scholten, wie jede Bewegung, welche die Dinge auf das richtige
Mass zurückführen will; sie ist vielmehr ein Protest im Namen
des Volksthums und der Religiosität, im Namen des warmen Ge-
müthes gegen den kalten, zersetzenden, Alles besser wissenden
Verstand. Diese Romantik in der Literatur begründen Tieck und
Wackenroder, von denen besonders der Letztere tiefe Einsichten
in das Wesen der bildenden Künste gewinnt. Ihnen schliessen
sich der unglückliche Hölderlin und Hardenberg-Novalis an. Schon
zu Beginn des Jahrhunderts haben sich diese und andere Einzelne zu
einer Schule vereinigt, welcher alle jüngeren Talente Zuströmen,
unter ihnen Uhland, aber auch Gelehrte, wie die Gebrüder Grimm.
Die Gebrüder Schlegel übernehmen die Führung. Die Bannstrahlen
des später versöhnlicheren Goethe bleiben wirkungslos. Gegen
die Autorität Winckelmanns wird jene Herders in die Schranken
gerufen, der den Zeitgenossen überraschende Einblicke in das