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Full text: Katalog der Wiener-Congress-Ausstellung 1896

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Aber schon in den Zwanziger Jahren beginnt jenes Anschwellen 
und Aufblähen, welches um die Mitte des Jahrhunderts wieder 
zum Reifrocke führt, den die französische Revolution völlig ver 
nichtet zu haben wähnte. 
Noch im Rahmen der unserer Betrachtung unterliegenden 
Periode vollzieht sich ein neuer Umschwung, in der Literatur 
längst vorbereitet, nun auch in der bildenden Kunst: die Romantik. 
Sie entwickelt sich schon vor dem Sturze Napoleons, ja auä den 
patriotischen Empfindungen, welche seine Schreckensherrschaft und 
die Leiden und Kränkungen, die er verbreitet, erwecken. Aber ihr 
Entstehen hat noch andere tiefere Gründe. Die antikisirende Richtung, 
zu wenig Renaissance, nicht volksthümlich, gelehrt, ohne nationale 
Färbung, befriedigt wohl den Historiker, der den Ursprung der 
modernen Bildung im classischen Alterthum sucht und findet, nicht 
aber die Masse des Volkes, welche nur dann ein Verhältniss zur 
Kunst gewinnt, wenn diese nicht blos den Verstand, sondern auch 
das Gemüth anspricht. Und mehr noch. Die Hinwendung zur 
Antike war eine Frucht der Aufklärungs-Epoche, welche alle 
religiösen Empfindungen des Volkes untergraben und verspottet 
und an die Stelle der Liebe zum eigenen Volke das Weltbürger 
thum gesetzt hatte. Religiöse und nationale Empfindungen lassen 
sich auf die Dauer nicht vernachlässigen; für eine Weile nieder 
gehalten, brechen sie mit elementarer Kraft aufs neue hervor 
und verlangen ihr Recht. Man hat die Romantik Reaction ge 
scholten, wie jede Bewegung, welche die Dinge auf das richtige 
Mass zurückführen will; sie ist vielmehr ein Protest im Namen 
des Volksthums und der Religiosität, im Namen des warmen Ge- 
müthes gegen den kalten, zersetzenden, Alles besser wissenden 
Verstand. Diese Romantik in der Literatur begründen Tieck und 
Wackenroder, von denen besonders der Letztere tiefe Einsichten 
in das Wesen der bildenden Künste gewinnt. Ihnen schliessen 
sich der unglückliche Hölderlin und Hardenberg-Novalis an. Schon 
zu Beginn des Jahrhunderts haben sich diese und andere Einzelne zu 
einer Schule vereinigt, welcher alle jüngeren Talente Zuströmen, 
unter ihnen Uhland, aber auch Gelehrte, wie die Gebrüder Grimm. 
Die Gebrüder Schlegel übernehmen die Führung. Die Bannstrahlen 
des später versöhnlicheren Goethe bleiben wirkungslos. Gegen 
die Autorität Winckelmanns wird jene Herders in die Schranken 
gerufen, der den Zeitgenossen überraschende Einblicke in das
	        
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