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Werke fällt nun die Serie „Wandern in Einsamkeit“ (Katalog Nr. 30,
Abb. T. 16), die einen völlig neuen Stil aufweist. Vielleicht ist es
kein Zufall, daß der Künstler in ihrem Entstehungsjahr 1953 aus
der Kokuga Kai (National Painting Society) austritt. Diese an
gesehene Künstlervereinigung war 1929 gegründet worden und
auch sie war, ebenso wie die Hakujitsu Kai, der Munakata vorher
angehörte, westlich eingestellt; sie schloß Malerei im japanischen
Stil von ihren Ausstellungen aus. Vielleicht, ja sogar wahrscheinlich
war die Gewinnung einer neuen Form Ausdruck einer tiefreichenden
Wandlung auch im Innenleben des Meisters. Auf keinen Fall aber
bedeutete sein Austritt aus der Kokuga Kai etwa eine Hinwendung
zur traditionellen japanischen Malerei.
Dieser neue Stil ist es vor allem, der in Prof. Yanagis Aufsatz so
ausgezeichnet charakterisiert und durch Züge aus dem Leben und
der Schaffensweise Munakatas so erhellend beleuchtet wird. Es ist
ein improvisierender, rhapsodischer Stil. Kalligraphische „Schön
heit“, Monumentalität, Symmetrie, ja sogar die starke Expression
sind aufgegeben. Der Künstler gibt sich ungehemmt seiner frei
strömenden Erfindungskraft anheim. Er „schreibt“ gewissermaßen
seine Eingebungen in raschen, flüchtigen Formeln hin. Unmittelbar,
wie in einem lebhaften Gespräch, teilt er uns seine Gedanken mit
und wir nehmen es dabei gerne in Kauf, daß seinen Worten und
Sätzen oft die letzte Geschliffenheit fehlt, für die uns Frische und
Temperament reichlich entschädigen.
Dieser ungekünstelte, naturhafte — aber in keiner Weise „natu
ralistische“ — Stil ist an eine neue Thematik gebunden, zu der es
freilich Vorstufen auch im früheren Werk des Künstlers gibt. Nun
aber überwiegen die Titel, in denen der Begriff Natur in irgendeiner
Weise eine Rolle spielt: „Weide in Grün und Blüten in Rot“ von
1955 (Katalog Nr. 23, Abb. T. 17), eine Wiederaufnahme des Themas
der Serie „Pflanzenreich“, aber wie anders, frei und undekorativ
in der Form; „Blauer Himmel“ von 1956 (Katalog Nr. 22) mit seiner
Märchenstimmung; „Gesang der Natur“ (Katalog Nr. 25) und
„Grünes Feld“ (Katalog Nr. 24) aus dem gleichen Jahr. Das figurale
Thema fehlt auch in dieser Phase nicht, aber es tritt stark zurück.
Das Wesen dieses neuen Stiles wird besonders klar, wenn man etwa
die Landschaft des „Kegon Sutra“ von 1937 vergleicht mit jener
in den „Rollbildern für die Teezeremonie“ (Katalog Nr. 8, Abb.
T. 18) oder mit dem ,,Gebirge mit Wasserfall“ (Katalog Nr. 11,
Abb. T. 19) von 1956 bzw. 1958; welch ein Schritt von der feier
lichen, schönformigen Monumentalität der frühen Phase zu den
zuckenden, flackernden Formen der späten!
Der späten, aber nicht der letzten, denn wieder eine neue Phase der
Entwicklung ist in den beiden riesigen Holzschnitten „Sonnenauf
gang im Gebirge“ und „Sonnenuntergang am Meer“ (Katalog
Nr. 31, Abb. T. 20) gegeben. Ein abstrahierender Monumentalstil
ist hier erreicht, der zunächst völlig neu anmutet und im Gesamtwerk
als eine überraschende Wendung, fast als ein Bruch wirkt, und doch