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sozusagen erst beim Schneiden entstehen. Dieses Abenteuerliche des 
Vorganges, diese scheinbare Sorglosigkeit, ist ebenso bezeichnend 
für Munakatas Kunst, wie seine Unbekümmertheit in der Wahl des 
verwendeten Holzes. Während die meisten Graphiker ihre Werke 
im Entwurf genau festlegen und ihre Holzstöcke sorgfältig nach 
gleichmäßiger Dichte und Glätte auswählen, scheut er jede attistische 
Verfeinerung und bevorzugt geradezu ein naturhaft gewachsenes 
Holz. 
Darin steht Munakata dem amerikanischen Dichter Walt Whitman 
sehr nahe. Auch dieser freie Geist umfaßte alles und lehnte nichts ab. 
Er ist ein Dichter des Himmels ebenso wie der Hölle und alles 
Erdgebundenen. In Munakatas Werken wird oft der Buddha dar 
gestellt, aber niemals verklärt, sondern immer in irdischer, mensch 
licher Gestalt. Der Künstler gehört ebensowenig einer bestimmten 
religiösen Sekte, wie einet künstlerischen Schule an. Er ist eher 
als ein urtümlicher Mensch in unserer verkünstelten, übermodernen 
Zeit zu begreifen, der in seiner Unbefangenheit immer wieder 
Neues schafft. 
Angesichts der Werke eines japanischen Graphikers erinnert sich 
der Europäer wohl zunächst an den Farbholzschnitt der Ukiyoe- 
Schule des 18.—19. Jahrhunderts. Aber mit dieser verfeinerten 
Kunst eines satten Bürgertums hat Munakata nichts zu tun. Er hat 
aber manches übernommen von der Kunst des buddhistischen, 
religiösen Elolzschnittes, der im 9. Jahrhundert begann und besondets 
im 15. und 16. Jahrhundert blühte. Sein Werk läßt diese alte Kunst 
gewissermaßen wieder neu aufblühen. 
Neuerdings hat Munakata ein riesiges Werk mit dem Titel „Berg 
und Meer“ geschaffen, vor dem man das Gefühl hat, dem chaotischen 
Entstehen der V eit beizuwohnen. Kein Graphiker hat noch derartige 
Werke voll mythischer Kraft geschaffen. Auch an solche Themen 
geht der Künstler furchtlos heran. Im Hannya Sbingyo steht der 
Satz: „Wer frei ist, braucht keine Angst zu haben“. Diese innere 
Freiheit befähigt Munakata zu so großen Werken. 
Walt Whitmans Verse wurden einst als roh und vulgär getadelt. 
Auch Munakatas Werke wurden anfangs als grob und heftig 
angeprangert, aber heute hat man bereits erkannt, daß er zu den 
größten japanischen Graphikern der Gegenwart gehört. 
Munakata erzählt gern folgende Zen-Geschichte. Ein Zen- 
Priester wurde einst gefragt: „Wenn du den Staub vom Buddha 
gewischt hast, wie erscheint dann der Buddha?“ Er antwortete: 
„Auch der Buddha ist Staub.“ Damit ist gemeint, daß viele Künstler 
glauben, das Häßliche unterdtücken zu müssen, um das Schöne zu 
sehen, während im Sinne des Zen-Buddhismus schön und häßlich 
nicht im Gegensatz zueinander stehen, sondern von der Einheit 
des Seins umfaßt werden. Das Wesen der Kunst Shiko Munakatas 
ist in dieser Geschichte verborgen! 
Freie Übertragung von V. Grlessmaier unter Verwendung des Kata- 
loges der Ausstellung „Shiko Munakata“ in Turin (1960).
	        
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