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zu DEN HOLZSCHNITTEN SHIKO MUNAKATAS
Von Viktor Griessmaier
1 rofessor Yanagis Essai bemüht sich, Munakatas Kunst dem
Betrachter als Ausdruck der Persönlichkeit, ja des Charakters des
Künstlers nahe zu bringen. Eine solche Kommentierung, die ja
auch in Europa nicht ungebräuchlich ist, wird der ausdrucks
geladenen Kunst des Meisters ohne Zweifel sehr gerecht und erhellt
den inneren Gehalt seines Werkes sehr eindringlich. Sie entspricht
auch durchaus der besonderen Einstellung des japanischen Kunst
freundes, der immer dazu neigen wird, ein Kunstwerk als etwas
Gegebenes anzusehen, als etwas, das sein eigenes Leben führt,
während die Frage nach den Voraussetzungen und Bedingtheiten
des Werkes für ihn mehr im Hintergrund bleibt. Der Europäer,
mit seinem auf historisches und ursächliches Begreifen eingestellten
Denken, möchte aber gern mehr wissen, wobei der Ton bezeich
nenderweise auf dem Wort „wissen“ liegt. Sein Erleben beschränkt
sich ungern auf die Sphäre des Gefühls, des seelischen Kontaktes,
es verlangt immer auch nach der Hilfe, die aus der Kenntnis der
Voraussetzungen, der Quellen, der Entwicklung eines künstlerischen
Gesamtwerkes kommt.
Hier soll nun der Versuch gemacht werden — das Wort Essai
muß hier wirklich in seiner ursprünglichen Bedeutung verstanden
werden — die Kunst Munakatas auch von diesem Gesichtswinkel
aus zu betrachten. Um mehr als einen vorläufigen und tastenden
Versuch kann es sich deswegen nicht handeln, weil unser tatsächliches
Wissen über den Meister, seine künstlerische Herkunft und seine
Entwicklung auf die knappen biographischen Notizen beschränkt
ist, welche der Ausstellung von Japan aus mitgegeben wurden;
eine Literatur über das Thema in einer europäischen Sprache gibt
es nicht. So sind wir auf die Ausdeutung dieser Notizen und auf das
angewiesen, was wir dem Werk selbst entnehmen zu können
glauben.
Die in der Ausstellung gezeigten Holzschnitte führen uns nicht
bis zu Munakatas künstlerischen Anfängen zurück. Die frühesten
sind 1935 datiert. Damals war der Künstler fast schon 32 Jahre alt,
aber bereits 1920 stellte er zum erstenmal in Aomori aus, wo er als
Amtsdiener arbeitete. Aus einem Zeitraum von 15 Jahren kennen
wir also kein Werk und erfahren nur, daß es sich dabei um Ölbilder
handelte. Wir dürfen sie uns wohl, der damaligen Situation des