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Volltext: Die Plastik Wien´s in diesem Jahrhundert : Vorlesung gehalten im österr. Museum am 31. October 1876

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den Baubeamten der Gubernien überlassen, die Innendecoration der Kirche 
beschränkte sich auf das Nothwendigste, und da alle Kunst aus Bestre 
bungen entspringt, welche über das Mass der Nothdurft hinausgehen, und 
keine Kunst aus der geistigen und materiellen Bedürfnislosigkeit entspringt, 
so war auch die kirchliche Plastik auf ein sehr bescheidenes Feld der 
Thatigkeit beschränkt; noch heutigen Tages leidet die Kunst in der Kirche 
an dem staatlichen Bevormundungssysteme, dem, um nur ein Beispiel an 
zuführen, der Ausbau von Klosterneuburg und die Vollendung der Innen 
decoration der Kirche zum heiligen Kreuz zum Opfer fällt. Den Um 
schwung der Kunst einer späteren Zeit, unmittelbar vor dem Jahre 1848, 
auf diesem Felde, kennzeichnet die Johanniskirche des Prof. RÖsner in der 
Praterstrasse, wo es möglich war, an der Imcade zwei grosse Statuen von 
künstlerischer Bedeutung anzubringen, welche Prof. Bauer nicht unrühmlich 
durchgeführt hat, und ein Marmorrelief an dem Tympanon des Portales, 
welches dem Bildhauer Dietrich übergeben wurde, einem höchst achtbaren 
und tüchtigen Künstler, der es bei der damaligen Lage der Dinge niemals 
zu einer grösseren Selbstständigkeit bringen konnte und in den letzten 
Jahren seines Lebens durch staatliche Almosen ernährt wurde, bis der Tod 
ihn von den Sorgen des Lebens befreit hat. Auch die Industrie bot der 
Plastik wenig Hilfe; die Marmorbrüche standen verwaist, die Eisengiesse- 
reien erhoben sich nur zu der gewöhnlichsten Leistungsfähigkeit. Nur die 
Salm’sche Eisengiesserei in Blansko machte zur Zeit als Reichenbach die 
selbe leitete, nicht unrühmliche Versuche im Kunsteisenguss. 
Ein Preusse, Herr Glanz, versuchte in Wien den künstlerischen Eisen 
guss zu fördern, der Bayreuther Hollenbach belebte hier zuerst den Bronze 
guss. Für industrielle Zwecke war der Bildhauer Rammelmayr thätig. 
Auch die Meerschaumwaarenfabrication beschäftigte das plastische Talent 
der Arbeiter. Die kaiserliche Porcellanmanufactur, die zu den Zeiten Grassi’s 
einen grossen künstlerischen Aufschwung, auch im figuralen Theile ge 
nommen hatte, und wie ein grosses Kunstinstitut geleitet wurde, welchem 
auch ein Museum der Gypsabgüsse zur Verfügung stand, hatte ihren 
Höhepunkt bereits im Jahre 1820 erreicht, ging von Stufe zu Stufe ab 
wärts, bis sie endlich dem Utilitarismus der Baumgartnerischen Finanzver 
waltung und der beschränkten Rivalität der böhmischen Porcellanfabri- 
kanten, die im Reichsrathe eine Stütze fanden, zum Opfer fiel. Der ein 
zige Ort, wo das bureaukratische Bevormundungssystem einen erfolgreichen 
Widerstand fand, war zwischen 1840—i85o Prag. In loyalen Formen 
wurde demselben, nicht blos auf dem Gebiete der bildenden Kunst, ent 
gegengetreten. Bei diesen Vorgängen, die unmittelbar dem Jahre 1848 
vorausgingen, muss man ein wenig verweilen, denn sie übten auf Wien 
in späterer Zeit einen mächtigen Rückschlag. Eine tiefere Kunstbewegung 
ging damals von Prag aus. Sie stund mit der ständischen Bewegung in 
Verbindung, welche das Wiener Regierungssystem bekämpfte. Das war 
jene Zeit, wo noch Mitglieder des hohen Adels an den »Grenzboten« mit-
	        
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