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Uie Plastik ist jener Zweig der bildenden Kunst, für welchen das
deutsche Publicum am wenigsten praktisches Verständnis hat. Ueberall
in Oesterreich und in Deutschland haben daher die Bildhauer mit Hemm
nissen mannigfaltiger Art zu kämpfen. Zu diesen ererbten deutschen
Uebelständen kommen noch einige specifisch wienerische, um nicht zu
sagen österreichische, hinzu. Aber da trotzdem in Wien sich gegenwärtig
ein lebendigeres Interesse für diesen Zweig der bildenden Kunst zeigt,
was wir gerne als eine Wendung zum Besseren begrüssen wollen, so ist
es vielleicht gerechtfertigt, die Plastik Wiens, die als ein selbstständiges
Glied der deutschen Plastik zu betrachten ist, etwas eingehender zu be
handeln.
Wer die Plastik Wiens in der Gegenwart beurtheilen will, muss
seinen Blick auf die Zustände dieser Kunst im Anfang dieses Jahrhun
derts lenken. Auch hier ist die Vergangenheit der Schlüssel zum Ver
ständniss der Gegenwart.
Die Zeit der Barockkunst weist zahlreiche Kunstwerke und Künstler
auf. Das war die Zeit, wo prunkvolle Paläste, Kirchen und Abteien,
Gartenanlagen in grossem Style geschaffen wurden. Bildhauer hatten
vollauf Beschäftigung. Die Stadien der Entwicklung bezeichnen die Ma
riensäule am Hof nach dem Entwürfe des Hofarchitekten und Theater
malers Ludwig Burnaccini (i652—1690), in Erz gegossen im Jahre 1668
von Balthasar Herold (geb. zu Nürnberg 1625, gest. in Wien 1683) j die
Dreifaltigkeitssäule am Graben (1686—1693) desselben Burnaccini mit den
höchst charakteristischen Marmorfiguren und Reliefs von den Tirolern
Paul von Strudel, Fruhwirth und Rauchmiller. Ihnen folgen Corrodini’s
Brunnen auf dem Hohenmarkt (1729—1733, ausgeführt nach den Plänen
von Fischer von Erlach); Lorenz Mathielli’s Steinfiguren an der Reichs
kanzlei, der Karlskirche und Michaelerkirche; Rafael Donner’s Brunnen
am Mehlmarkt (1738—t 73g), ohne Frage das bedeutendste Werk der
Barockzeit Wiens; Schletterer’s und Mader’s Reliefs an den Säulen der
Karlskirche und die zahlreichen statuarischen und Decorationsarbeiten von
dem Baier Hagenauer (geb. zu Strass 1732, gest. in Wien 1810) und von
Bayer (geb. zu Gotha 1729, gest. in Hietzing 1797) im Schönbrunner
Park, um mit diesen wenigen Werken nur einige Stufen und Höhepunkte
der Barockkunst zu bezeichnen. Auch die Medailleurkunst jener Zeit
weist eminente Künstler auf. Eine als Mensch und Künstler gleich
originelle Erscheinung war F. X. Messerschmidt, ein Baier von Geburt
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