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überall da gefunden hat und findet, wo eine Empfänglichkeit für
künstlerische Werte überhaupt vorhanden ist. Die formalen Werte
dieser Kunst, die Komposition, der Rhythmus von Flächen und
Linien, die Farbenzusammenstellungen, sie allein bieten eine uner-
sdiöpfliche Quelle künstlerischen Erlebens, was an außerkünstlerischen
Erläuterungen unter Umständen dazukommt, mag an sich interessant
sein, ist aber daneben von untergeordneter Bedeutung.
Der Holzschnitt, das ist die Kunst, von einer Holzplatte, auf die
eine Zeichnung in flaches Relief übersetzt wurde, Abdrucke auf Papier
oder andere Stoffe, wie Leder und Seide, herzustellen, ist in Ost
asien sehr alt. Wahrscheinlich wurde die Erfindung in China gemadit,
wo sie sich aus den Papierabklatschen entwickelt haben dürfte, die
man von flachen Steinreliefs zu machen pflegte. Schon vom Ende des
6. Jahrhunderts sind uns Nachrichten erhalten, und datierte Holz
schnitte des 9. und 10. Jahrhunderts wurden in Zentralasien gefunden.
Aber Japan muß diese Technik früh übernommen haben, denn der
älteste japanische Holzschnitt ist 740 n. Chr. datiert. Bei diesen
frühen Holzschnitten handelt es sich immer um buddhistische reli
giöse Schwarzweißblätter, die in den Tempeln im Zusammenhang mit
dem Kult, als Amulette, Votivbilder und dergl. verwendet wurden.
Später wurde der Holzschnitt in China und Japan auch zur Buchillu
stration verwendet und schließlich auch zur Reproduktion von Tusche
bildern. Auch den letzten, entscheidenden Schritt, die Einführung des
Farbholzschnittes, wobei für jede Farbe eine eigene Platte geschnitten
wurde, vollzog China vor Japan. In China hatte sich in der späteren
Mingzeit (1368—1644) die Übung herausgebildet, Briefpapier in
dieser Technik zu verzieren, die am Ende dieser Periode so entwickelt
war, daß der vielseitige Künstler Hu Cheng-yen im Jahre 1643 sein
schon früher begonnenes Werk „Sammlung von Schriften und Bildern
aus der Zehnbambushalle“, sechzehn Hefte mit farbigen und schwarz
weißen Bildern von Blüten, Früchten, Vögeln, Felsen u. dgl, er
scheinen lassen konnte, dem bald darauf seine „Briefpapiersammlung
der Zehnbambushalle“ folgte. Das Werk Hu Cheng-yens, ebenso wie
das zweite Meisterwerk des chinesischen Farbholzschnittes, das „Lehr
buch der Malerei aus dem Senfkorngarten“ des Li Yü, das, ähnlich
ausgestattet, 1679 zu erscheinen begann und zu gleichem Ruhm gelangte,
war sicher auch in Japan bekannt, und da man auch in Japan bereits
um diese Zeit zögernd zur Verwendung von Farbplatten griff —
1667 erschien ein Musterbuch über Kleider, allerdings nur mit ein
farbigen Bildern —, schien der Weg für die weitere Entwicklung in
enger Anlehnung an die chinesischen Vorbilder, die einen mehr male
rischen, nicht eigentlich graphischen Stil vertraten, vorgezeichnet. Aber
die Entwicklung des japanischen Farbholzschnittes verlief über
raschenderweise anders, so anders, daß die Europäer in ihm anfangs eine
Erscheinung sahen, dievöllig ohneBindung anVorhergegangeneszusein
schien, so anders, daß man an mühsames, stufenweises Erarbeiten tech
nischer Vervollkommnung dachte, von Primitiven sprach, angesichts
einer Kunst, die als letzte Blüte einem Jahrtausende alten Baum entsproß.