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Am Beginn des japanisdien Holzschnittes steht sogleich eine seiner
gewaltigsten Erscheinungen, Hishikawa Moronobu (1625—1694), der Moronobu
aus der Provinz nach Edo kam und dort den in Osaka und Kyoto Ta^el 1
schon länger geübten Holzschnitt eanführte. Er begann gegen 1670 mit
Büchern und gelegentlichen Einzelblättern in Schwarzweißtechnik.
Moronobu hat seine Zeichnung in vorbildlicher Weise den Möglich
keiten der Technik angepaßt. Mit kräftigen Linien umreißt er seine
gedrungenen Figuren, die ruckweise geführten Kurven haben oft die
starre Prägnanz geometrischer Gebilde. Die Landschaftshintergründe
setzen sich aus knappen, fast symbolhaften Eormen zusammen, die
nicht weniger flüssig „Eingeschrieben“ erscheinen als die gelegentlichen
Texte der Blätter. In das Liniennetz, welches das Blatt überzieht,
sind samtschwarze Flächen in wohlabgewogener Ordnung eingefügt.
Die maßgebenden Elemente seines Stiles blieben lange Zeit vorbild
lich.
Gleichzeitig mit ihm, aber weit jünger und ihn daher auch lang
überlebend, wirkte in Kyoto ein anderer, nicht minder bedeutender
Künstler, Nishikawa Sukenobu, der mit der hochadeligen Familie Sukenobu
der Fujiwara verwandt war. Bald nach 1670 geboren — seine Tafel 2
Lebensdaten sind nicht völlig geklärt —, starb er vermutlich bald
nach 1750. Fast noch ausschließlicher als Moronobu widmete auch er
sich der Buchillustration, wobei in vielen seiner Bücher der Text, wie
auch bei denen Moronobus, gegen- die Fülle der Bilder zurücktritt.
Seine Bücher, mehr als dreihundert, verlegte er in Kyoto, Osaka,
aber auch in Edo, wodurch sein starker Einfluß auf spätere Edo-
Meister, vor allem auf Harunobu, begreiflich wird. Sein mit uner-
schöpfbarer Phantasie immer neu variiertes Hauptthema ist das häus
liche Leben der jungen, mit allen Reizen gesunder Anmut gezierten
Frau. Die Umrisse seiner Figuren, der Faltenwurf ihrer Gewänder
sind voll Musik, sein beweglicher Strich hat den satten, weichen
Klang von Streichinstrumenten. Es ist begreiflich, daß von allen
Meistern des Holzschnittes in Osaka und Kyoto, die sonst von der
Forschung und von den Sammlern vernachlässigt sind, gerade er
allein zu Weltruhm gelangte.
In Edo war neben Moronobu ein anderer großer Maler tätig, über
den wir noch weniger wissen: Kwaigetsudeä Ando, der eine Anzahl
von Mitarbeitern und Schülern hatte. In ihren Gemälden und ihren
überaus seltenen großformatigen Holzschnitten haben die Meister
dieser Gruppe einen besonderen Typus von Bildnissen der Kurti
sanen des Yoshiwara ausgebildet. Der Stil der Kwaigetsudö-
Sippe ist wohl verwandt dem des Moronobu, es ist eben der Stil
der Frühzeit, aber ihre weitschwingenden Kurven sind eleganter,
elastischer, der Strich schwillt in großartigem Crescendo an und
klingt wieder ab. Niemand würde bei diesen feierlich gehaltenen
Bildern adelig vornehmer Damen in kostbaren Kleidern an Kurti
sanen denken.
Auch das zweite Hauptthema des japanischen Holzschnittes, das
Schauspielerbildnis, fand in dieser ersten Periode bereits seine volle