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doch für viele Jahre eine Art Herrscher auf dem Gebiet der Dar
stellungen aus dem fraulichen Leben, jedenfalls der beliebteste und
fruchtbarste Meister seiner Zeit, denn Kiyonaga und Shunman hatten
sich ja frühzeitig zurückgezogen und audi Eishi hatte dasselbe etwas
später getan, während Utamaro bis zu seinem Tod unermüdlich tätig
war. Seine Laufbahn beginnt 1780 mit einem wundervollen Buch
über Musdieln und Schnecken, noch zwei weitere Bücher dieser Art,
eines über Vögel und eines über Insekten, schenkte er seinem Volk.
Nach Kiyonagas freiwilliger Abdankung aber wird die Frau in allen
ihren Erscheinungen, von der liebenden Mutter bis zur Kurtisane,
das fast ausschließliche Thema seiner Kunst. Das Leben im Yosbiwara
haben fast alle Meister des Holzschnittes geschildert, aber keiner so
eingehend, so vielfältig wie Utamaro. Man hat ihm von europäischer
Seite vorgeworfen, er hätte sein Leben durch Ausschweifung früh
zeitig verbraucht, aber sein Werk, nach seinem künstlerischen Wert
wie nach seinem gigantischen Umfang gleich großartig, nimmt diesem
Vorwurf jede Berechtigung. 1804 wurde er wegen eines satirischen
Triptychons, das gegen ein Verbot der Regierung verstieß, ins
Gefängnis gebracht. Er scheint sich von diesem Schlag nicht mehr
ganz erholt zu haben. Sein Ruhm war schon zu seinen Lebzeiten
groß und hat bis heute niemals geschwankt.
Ein bedeutender Zeitgenosse des Kiyonaga war auch Kitao Masa- K. Masanobu
nobu (1761—1816), ein Schüler des vor allem als Buchillustrator Ta\el 30, 31
berühmten Kitao Shigemasa (1739—1820). Er zeichnete wenig Einzel
blätter, schuf aber 1782 ein großformatiges Buch mit Darstellungen
von Kurtisanen, das zu den glänzendsten Schöpfungen des japa
nischen Farbholzschnittes gehört. Sein Ruhm als Maler wurde aber
noch weit überstrahlt von seinem Ruhm als Schriftsteller, er nannte
sich als Dichter Santo Kyöden.
Das Schauspielerbild in dieser Zeit war noch immer im wesent
lichen die Domäne der Schüler des Shunshö, vor allem des Shunei
und des Shunko, aber 1794 tauchte plötzlich meteorgleich ein neuer
Mann auf, der sich als Künstler Toshüsai Sharaku nannte. Rund Sharaku
zehn Monate nur schuf er für die drei großen Theater von Edo Tafel 32, 33
Blätter mit Brustbildern, später auch mit Ganzfiguren von Schau
spielern, an denen zeitgenössische Quellen eine gewisse Übertreibung
der Charakterisierung auf Kosten der Schönheit rügten, dabei aber
doch die Kraft und den Geschmack lobten. 1795 bricht das Schaffen
dieses Künstlers ebenso jäh ab wie es eingesetzt hatte. Über sein
Leben wissen wir so gut wie nichts, nur daß er mit seinem bürger
lichen Namen Saitö Jürobe oder Jirobehieß und No-Tänzer im Dienste
des Fürsten von Awa war. Der jähe Wechsel von einem bürgerlichen
Beruf zu einem künstlerischen, ja die gleichzeitige Ausübung beider,
ist in Japan weder im allgemeinen noch bei den Holzschnittmeistern
im besonderen selten, ebensowenig die freiwillige frühzeitige Abkehr
von der Kunst. Sharakus erstaunlich kurze Schaffenszeit bleibt aller
dings eine bisher unerklärte Ausnahme. Es wäre möglich, daß er 1795
gestorben ist, eher dürfte es so sein, daß sein Fürst und Brotgeber