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Schrift verbindet, sei er nun im Oriente nach chinesischem Vorbilde oder
in China selbst in einer muhammedanischen Gemeinde, allenfalls auch von
Chinesen für Muhammedaner geschaffen. 1
Zur Beurteilung der ostasiatischen Stoffdekoration sei hier auf zwei
Stoffe verwiesen, die sich im Besitze des Kaisers von Japan befinden und
von japanischen Gelehrten in das 8. Jahrhundert versetzt werden (Tafel 102a
und b). Es sind übrigens wieder japanische Nachahmungen chinesischer
Vorbilder. An dem echt ostasiatischen Charakter dieser Arbeiten wird aber
wohl niemand zweifeln. Auch kann man deutlich erkennen, daß sich ihre
Motive aus den früher besprochenen, infolge innerer Entwicklung, ganz
naturgemäß herausgebildet haben.
Zwischenstufen zwischen diesen Arbeiten und denen auf Tafel 103 b, d
kann man in dem erwähnten japanischen Ausstellungswerke (besonders
Tafel XX, Nr. 26) finden. Das Pflanzliche ist bei den Stücken auf Tafel 102
bedeutend freier, naturalistischer und zugleich in der Anordnung weit
läufiger geworden; im ganzen hat sich ein größeres und kühneres Raum
gefühl, ein tieferes Eindringen in die Natur entwickelt.
Von der Kunst des Mittelmeergebietes herkommend, kann man es
im ersten Augenblick allerdings kaum fassen, daß solche Werke schon dem
8. Jahrhundert entstammen sollen. Wenn man sich aber den Naturalismus
der übrigen Kunst, und zwar noch älterer Zeiten, in Ostasien vor Augen
hält, so sieht man keinen Grund mehr, an den Angaben der japanischen
Forscher zu zweifeln. Wir müssen auch bedenken, daß die uralten Tempel
Ostasiens ebenso ihren gesicherten alten Bestand haben, wie unsere
Kirchen, und daß es in Ostasien schon viele Jahrhunderte früher als bei
uns eine kunstgeschichtliche Literatur gegeben hat.
Ebenso darf man nicht vergessen, daß die Landschafts- und Tier
malerei durch Meister wie Li-Ssi-sün, Wang-Wei, U-tao-tse und Han-kan in
China bereits im 7. und 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zu einer Aus
bildung und Vertiefung gelangt war, die in Europa kaum ein Jahrtausend
später erreicht wurde. Wir wissen gegenüber dieser altchinesischen Land
schaftsmalerei, die sich bis in das 12. Jahrhundert hinein in ununterbrochen
aufsteigender Linie bewegt, wahrhaftig nicht, ob wir die zur Seele
sprechende Stimmung, die Feinheit der Naturbeobachtung oder den Geist
der Wiedergabe mehr bewundern sollen.
Was bei näherer Betrachtung mehr wundernimmt, ist, daß solche
Arbeiten nicht schon früher zur Aufnahme und zu Nachahmung anregten.
1 Jul. Lessing a. a. O. (bei dem betreffenden Stücke) scheint die Entstehung in China
für wahrscheinlicher zu halten.