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Maria schwebt als Orantin zwischen zwei Engeln mit riesigen Flügeln
empor; unten befinden sich zehn Jünger, von denen zwei in geradezu
ägyptisch-primitiver — aber auch der späten Antike eigener —- Dar
stellungsweise, wie liegend, erscheinen. Es ist bei dem Hinausprojizieren
innerer Visionen das Gefühl für Einheitlichkeit des Raumes eben ganz
verloren gegangen. Dagegen ist die Symmetrie so vollständig, daß die
Kreuze, welche die mittleren Jünger, gleich den übrigen, emporhalten, in
eins zusammenfallen.
Wichtig für die Zeitbestimmung ist die Inschrift, die, dem Anfänge
eines liturgischen Textes entlehnt, in dem Inneren der Runde um die Haupt
darstellung herumläuft:
„Com transisset Maria mater „Da Maria, Mutter. Gottes, von
domino de apostolis.“ den Jüngern dahinging.
Wort-und Buchstabenform deuten auf das 7. bis 8. Jahrhundert. 1
Bei dem einfachen Materiale (Leinen) und den rohen Formen kann
man wohl an eine Entstehung außerhalb der Hauptsitze der damaligen
Kultur denken; vermutlich haben wir ein Erzeugnis der gegen den Osten
weit zurückgeworfenen westlichen Mittelmeerhälfte vor uns.
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Die Bestrebungen der Weberei und der Stickerei sind in dieser Zeit
noch durchaus dieselben. 3 .
Wir müssen nämlich annehmen, daß der Schmuck eines Teiles der
in alten Quellen, besonders im Papstbuche, angeführten Stoffe in
Stickerei ausgeführt war; 3 bei einigen ist es ausdrücklich gesagt, so ei
folgenden:
„Vestes de fundato 3, habentes
unam quidem tabulam acupictilem
interclusam.“
„3 Altarbehänge von ,grundier
tem 1 Stoffe, jedes mit einem einge
faßten. gestickten Einsätze.“
i „Com“ statt „cum“ ist merovingisch; „mater domino“ statt „mater domini“ ist
im 6 bis 7. Jahrhunderte, in Italien allerdings noch länger, im Gebrauch. Die hegende S-Form
ist gleichfalls in merovingischer Zeit auf Münzen häufig; die Form des M entspricht dem
7. bis 8. Jahrhunderte.
3 Eine bemerkenswerte Stickerei zeigt das mit der Langobardenkönigin Flavia Theodo-
linda (Anfang des 7. Jahrhunderts) in Zusammenhang gebrachte Korporaltuch in Monza
(Abbildung bei Bock „Liturgische Gewänder“ II., Tafel 36); man erkennt griechische
Schriftzeichen und im Ornamente das syrisch-byzantinische Herzblatt mit ansetzenden,
arabeskenartigen Rankenausläufern, sowie eine eigentümliche Abwandlung jener Ornamente
die wir sonst auf Stoffen mit Kreismustern außerhalb der Kreise finden.
3 Das Wachsdeckverfahren ist bei reicheren Kirchen wohl kaum anzunehmen und
scheint, nach dem vollständigen Mangel an derartigen Überresten in den westlichen Ländern
zu schließen, in diesen überhaupt nie beliebt gewesen zu sein.