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Volltext: Der Zeichnen- und Kunstunterricht (Theilbericht der Gruppe XXVI), officieller Ausstellungs-Bericht

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J. Langl. 
Der Unterricht ift an Wochentagen von 5 bis 9 Uhr Abends, und an Sonn 
tagen von 8 bis 12 Uhr. 
r r Die jrv derfelben Leitung flehende Schule für Bau-Handwerker bietet 
diefen grundhche und umfaffende Ausbildung im theoretifchen Unterricht und 
fachliche Anleitung im Zeichnen. Der vollftändige Curfus kann in drei Winter- 
Halbjahren durchgemacht werden. Dem Zeichnen fallen im Ganzen .12 (wöchent 
liehe) Stunden zu, und zwar im folgenden Ausmafs für die einzelnen Fächer: 
Freihand-Zeichnen ^ c . 7 
Zirkelzeichnen . . IO 
Darftellende Geometrie # 18 ” 
Baukunde , Bauconftru&ions - Lehre , Baukoften- 
Berechnung, Bauzeichnen .... 
» 
Die Unterrichtszeit ift täglich von 8 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends mit 
angemeffener Unterbrechung. 
An der allgemeinen Gewerbefchule find auch noch drei Curfe des 
ElementaiZeichnens für Knaben eingerichtet. 
mft li f 3 werden alljährlich zu Oftern Aufteilungen der Schülerarbeiten ver- 
ftaUfinden WObei Jed ° Ch Prelsvertheilun g en ° d er fonftige Auszeichnungen nicht 
An den vereinigten Anrtalten find aufser dem Diredtor gegenwärtig 
18 Lehrei und 15 Hilfslehrer befchäftigt und erreichte die Frequenz im Winter- 
femefter 1872 und 1873 : 1161 Schüler. Es fpricht wohl diefe Zahl hinreichend fül 
le zweckmäßige Leitung der Anftalt; ihren ausgezeichneten Ruf hat fie aber 
vorzugsweife den Erfolgen in den Zeichenfächern zu danken, 
n- Q ? M ] ethode im Elementarunterrichte ift kurz zufammengefafst folgende ■ 
Die Schüler beginnen mit Netzzeichnen, und zwar mit der Geraden in den ver- 
fchiedenenRmhtungen, in der Verbindung zu einfachen Irrwegen, Bordüren etc. 
wobei nach und nach zu complicirteren, fternförmigen Figuren vorgefchritten 
Wandt fei hehTe % zelch . n ^ a f de , r mit d '” quadratifchen Netz verfehenen Schul- 
\\ andtafel vor, wahrend die Schüler gleichzeitig erft auf Schiefertafeln und fpäter 
in Heften nachzeichnen; daran fchliefst f.ch eine kurze, aber gründliche Uebung: 
GeTeiTfätT 11 d 2 emer y r gUrin r ie ihr «“gegengefctate; 2. im Verwandeln der 
Ge enfatze und 3 im Zufammenfetzen neuer Formen. Endlich läfst der Lehrer 
auch Eignen ins Netz zeichnen, welche er ohne Netzlinien auf der Tafel vor- 
FÄtfÄSf U f ‘ Chf0mit derü “ tCrricht Allgemeinen an die 
Nach dl efem folgt das Zeichnen nach gedruckten Wandtafeln; zunächft im 
. a 5 en 'j dann lm Abtb eilungs- und endlich im Einzelunterricht. Der Unterricht 
im Zeichnen wird von dem Unterrichte in der fyftematifchen Formenlehre getrennt 
ertheilt. Die Wandtafeln bieten nur ebene Gebilde in frontaler Anficht und ohne 
Hilfslinien. Letztere haben die Schüler unter Anleitung des Lehrers felbft zu 
nden Es wird mit geradlinigen Figuren begonnen, die der Lehrer zugleich an 
der Netztafel vorzeichnet (bisher nach Dr. Stuhlmann's Wandtafeln) und auf 
krummlinige ornamentale Formen übergegangen (nach H. Wohlien’s Wand 
tafeln *). Haben die Schüler hierin die nöthige Fertigkeit erreicht, fo beginnt das 
Zeichnen nach körperlichen Gegenftänden im Einzelunterricht 
K r , Jeder ,; Sc ! la ! er ( bis weilen wohl auch zwei oder drei) zeichnet nach einem 
befonderen Modelle, welches in 1 bis 15 Meter Entfernung vor ihm aufgeftellt ift. 
Penpeötivifchen Veränderungen lernt der Schüler mittelft des Vififens 
mit dein Bleiftift durch die blofse Beobachtung des Körpers erkennen, abfehätzen 
und daifteilen. Den Anfang bilden F. H e i me r d i n g e r’s „Holzmodelle“; daran 
in Verwendung^ 1 "” 6 " " aCh e ‘" er Privatmitthellun g in der Folge nur mehr H. Wohlien's Tafeln
	            		
Der Zeichen- und Kunftunterricht. 43 fchliefsen fich einfache Gypsmodelle und Geräthe unter Berückfichtigung von Licht und Schatten. In den Mädchenclaffen wird dann noch in der oberen Abtheilung das Zeichnen von Stickmuftern angefchloffen, und werden die Schülerinen zunächfl mit den wichtigflen Elementarformen vertraut gemacht, dann zum Abändern und Benutzen einer gegebenen Form für verfchiedene Zwecke geführt und fchliefslich zum felbftftändigen Erfinden angeleitet. In der Gewerbefchule wird ausfchliefslich nach Modellen gezeichnet, und zwar im Anfang mit Contouren und allmälig zum Schatten fchreitend, dabei aber die verfchiedenen Darftellungsmittel berückfichtigt. Das figurale Zeichnen wird nur von jenen Gewerbebefliffenen geübt, die derfelben in der Praxis bedürfen. Die ausgeftellten Arbeiten bewiefen, dafs an der Anftalt alle Richtungen des Zeichnens gewiffenhafte Pflege finden, dafs dem Ornamente das Studium der Blume zur Seite fleht und es nicht verfäumt wird, auch die Selbflthätigkeit im Erfinden anzuregen. Die Objedle, welche aus denFachcurfen der Decorateure, Möbeltifchler etc. vorgelegt waren, zeigten in dem zweckmäfsigen, einfachen Aufbau der Formen und in der richtigen Geflaltung und Anwendung des Ornamentes, dafs die Schule dem Fortfehritte in Bezug auf Reform des Gefchmackes, welcher fleh in England und Oefterreich Bahn bricht, mit regflem Eifer folgt. Es werden bei der Dar- flellung der Gegenflände, die nicht als Bilder auf dem Papier zu gelten haben, fondern nur für die praktifche Ausführung gefchaffen werden, die leichterten Mittel angewandt und alle überflüffige Malerei und zeitraubende Ausführung vermieden. An der Anftalt wird nur gezeichnet und modellirt und ift es dem Fleifse und der Thunlichkeit der einzelnen Schüler überlaffen, in ihren Werkftätten Ent würfe, die fle in der Schule unter der Leitung ihrer Lehrer machen, auszuführen. Es ift diefs ein treffliches Mittel, die Vortheile der Schule unmittelbar in das Gewerbe zu verpflanzen und dadurch das Intereffe für die Schule in den Kreifen der Induftriebefliffenen rege zu halten. Einzelne Objecfte, welche auf diefe Weife durch die Anftalt gefchaffen wurden, waren auch ausgeftellt und zeugten von ganz edler Gefchmacksrichtung. Befonders hervorragend waren davon die Tifchler- arbeiten. In den Modellirungen (in Gyps und Wachs) waren ornamentale und figurale Vorwürfe behandelt und verdiente die .exadle, ftrenge Behandlung der Formen volles Lob. Ebenfo fyftematifch wie im Freihand-Zeichnen wird auch im Linearzeichnen vorgegangen, und finden die geometrifchen Conftrudlionen ftets in praktifchen Beifpielen ihre Anwendung. Ganz tüchtige Arbeiten lieferte befonders die Schule für Bau-Handwerker, aus welcher auch fehr hübfehe bauliche Entwürfe Vorlagen. Der Vortrag war in den Zeichnungen ebenfo präcis als einfach, und waren nirgends fogenannte Ausftellungsblätter zu finden, die fonft blofs die Augen der Laien zu feffeln berufen find. Sehr gute Arbeiten lagen auch von der feit 1870 unter der Aufficht und Verwaltung der allgemeinen Gewerbefchule flehenden St. Pauli-Gewerbefchule vor. Brillirten die Hamburger Gewerbefchulen auch nicht in pomphaften Tableaux, und begnügten fie fich, in befcheidener Form ihre Leiftungen dem Urtheile des Publicums vorzulegen, fo zogen fie gerade durch ihr ungefchminktes Auftreten die Aufmerkfamkeit der Fachmänner in hohem Grade auf fich, und konnten fich die Leiftungen von allen Seiten ungeteilter Anerkennung erfreuen. Das Inftitul hatte fall feine fämmtlichen Lehrkräfte zum Befuch der Au fteilung nach Wien gefchickt und dürften die dafelbft gemachten weiteren Erfah rungen das Aufblühen der Anftalten um fo mehr fördern. * * Es war nur zu bedauern, dafs dem Hamburger gewerblichen Mufeum diefsmal wenig Mittel zur Verfügung geftellt waren, um Einkäufe von kunftinduflriellen Gegenftänden auf der Weltausftellung zu veranlaffen, in welcher Hinficht die Sammlungen Deutfchlands, Oefterreichs und Rufslands reichlicher bedacht waren.
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