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Volltext: Ausstellung islamischer Miniaturen, Textilien und Kleinkunst

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Vartan Hunanian, der armenische Erzbischof von Lemberg, Verzereskul für die Zeit bis 
zur Ernennung eines neuen Bischofs zum Generalvikar und Administrator der armenischen 
Kirche in Siebenbürgen. Als zweite Aufgabe seines Lebens hatte sich Verzereskul die 
Erbauung einer neuen Stadt gesetzt, in der er die Armenier vereinigen wollte. Anfangs 
hatte er dafür Görgeny ins Auge gefaßt, wo er auch Besitzthum erwarb, später aber 
erschien ihm eine Stelle am Fuße der Martinuzzi'schen Burg, wo einst das Dorf Gerla 
lag, geeigneter. Er erhielt auch von Leopold I. die Erlaubniß, an dieser Stelle den Grund 
zur Stadt Szamos-Üjvar zu legen. Er war der Erste, der sich ein Hans bauen ließ (es 
wurde nach seinem Tode zur Kirche umgestaltet) und erließ einen Aufruf an alle seine 
Gläubigen, sich dort anzusiedeln. Im Jahre 1700 wurde mit dem Bau der Stadt begonnen. 
Noch in demselben Jahre constituirte sich auf Anregung Verzereskuls die Gerberzunft 
von Szamos-Üjvar, welche das damalige Hauptgewerbe der eingewanderten Armenier 
in ihrem Verbände vereinigte. Auf Grnud des Freibriefes Leopolds I. erhielten die 
Armenier für 25.000 Gulden einen Theil der ärarischen Herrschaft von Szamos-Üjvar, 
südlich der Burg, und auf diesem Terrain gründete Verzereskul die neue armenische Stadt. 
Schon nach anderthalb Jahrzehnten wurden in ihr 111 verbaute Hausstellen und 130 
männliche Einwohner zusammengeschrieben. Fast alle betrieben das Gerberhandwerk. 
Im Jahre 1712 ging Verzereskul nach Wien, um die commereiellen und sonstigen 
Angelegenheiten seiner armenischen Anhänger zu ordnen nnd für ihre Beschwerden Abhilfe 
zu erlangen. Dort überraschte ihn der Tod im sechzigsten Lebensjahre. Nicht nur seine 
Gemeinde hatte ihn geliebt, sondern er stand auch in Rom und am Wiener Hofe in hoher 
Gunst. Die Gemahlin Leopolds I., Königin Eleonore, verehrte ihm ein eigenhändig gesticktes 
bischöfliches Meßgewand, das noch jetzt in der armenisch-katholischen Hauptkirche zu 
Szamos-Üjvar mit großer Pietät gezeigt wird. Diese armenische Kirche besitzt aber noch 
einen anderen kostbaren Schatz, nämlich eine Kreuzabnahme, die dort als Rubens gilt. Das 
Gemälde wurde von Franz I. der Kirche als Altarbild geschenkt, in Anerkennung der großen 
materiellen Opfer, welche die Armenier in den Kriegen gegen die Franzosen gebracht hatten. 
Im Laufe des XVIII. Jahrhunderts waren die Armenier die bedeutendsten Factoren 
des Handelsverkehres in den östlichen Theilcn des Reiches. Sie hatten aus dem Orient 
das eifersüchtig gehütete Geheimniß der Corduan- und Saffianbereitung mitgebracht, 
und unter dem Schutze des von Michael Apaffy erhaltenen Freibriefes schwang sich ihr 
Handel mit diesen Artikeln, die auch auf die Märkte des Auslandes gelangten, alsbald 
zu großer Bedeutung auf. Noch ausgedehnter wurde dann ihr Handel mit Hornvieh. Um 
die Mitte des XVIII. Jahrhunderts wurde er in der neu gegründeten Armenierstadt 
Szamosüjvar allein von 36 „selbständig unternehmenden Bürgern" mit 43 Gehilfen 
betrieben. Sie pachteten in verschiedenen Gegenden des Landes große Paßten, auf die sie
	            		
241 das Vieh trieben, namentlich aus der Türkei, um es dann nach Österreich zu schaffen. Übrigens erschienen sie mit dem Hornvieh auch in Augsburg, Nürnberg, ja eine Zeitlang über Buccari selbst in den venezianischen Provinzen. Nach dem Zeugniß gleichzeitiger Aufzeichnungen transportirten sie im Laufe des XVIII. Jahrhunderts alljährlich im Durchschnitt 40.000 Stück Rindvieh nach Märkten des Auslandes und dieser einzige Zweig ihres Handels brachte etwa viereinhalb Millionen Gulden — für jene Zeit eine riesige Summe — in das Land. Dieser Geschäftszweig erhob einzelne armenische Händler familien — die Karacsonyi, Gorove, Daniel u. A. — unter die reichsten des Landes. Sie pachteten in den südlichen Gegenden einen Theil der von der Türkenherrschaft befreiten, nun brachliegenden Gebiete zu Zwecken der Viehzucht, bis sie sie dann ihren Besitzern zu überaus billigen Preisen vollends abkauften. In Verbindung mit dem starken Ausfuhr handel vermittelten die eingewanderten Armenier auch die Einfuhr, besonders von Breslau, Warschau, Leipzig und noch anderen ausländischen Plätzen. Die fiebenbürgischen Magnaten, den Gouverneur und Bischof an der Spitze, ließen einzelne Artikel durch die Armenier im Auslande kaufen und bedienten sich ihrer Vermittlung auch bei der Abwick lung von Geldgeschäften. Die Wiener Regierung gewährte den ins Ausland reisenden armenischen Kaufleuten ihren besonderen Schutz. So erwirkte im Jahre 1768 der damalige kaiserliche Gesandte in Constantinopel bei dem Sultan einen Ferman, demgemäß der fiebenbürgisch-armenische Kaufmann Johann Vartän, nachdem er für seine in Constantinopel eingekauften Waren den regelmäßigen Zoll bereits erlegt, zu Wasser und zu Lande unbehelligt Heimreisen könne und jede, unter welchem Titel immer an ihn zu stellende Zollsorderung als der Verordnung des Sultans zuwiderlaufend zu erachten sei. Größere Schwierigkeiten fand ihre Handelsthätigkeit im Innern des Landes durch einzelne obrigkeitliche Verfügungen und die naturgemäße Concurrenz seitens der Zünfte anderer Nationalitäten. Wiederholt mußten sie sich um Abhilfe an das Gubernium, ja selbst an den Landtag wenden. Auch lieh das Gubernium, wie der Landtag, in jedem einzelnen Falle den berechtigten Klagen der Armenier günstiges Gehör. Ihre klageweisen Repräsentationen an Gubernium und Landtag wurden jedesmal durch „die ini Vaterlande bestehende armenische Communität" unterbreitet. Unter diesem Titel besaßen die eingewanderten Armenier lange Zeit eine gemeinsame Organisation von umfassender Autonomie. Die Repräsentanz der „armenischen Compagnie" trat alle drei Jahre in einer der vier armenischen Niederlassungen (Szamos- Üjvär, Elisabethstadt, Gyergyö-Szent-Miklös und Csik-Szöpviz) zusammen, um die gemeinsamen kirchlichen und weltlichen Angelegenheiten der Armenier zu ordnen. Sie vertheilte die jährliche Steuer, sorgte für die Dotation des Bischofs, für die Kosten der Deputationen, und arbeitete je nach Bedarf Regulative aus, die für sämmtliche Armenier Ungarn VL.
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