Die zweite Hauptgruppe der Ausstellung bilden die farbigen
Entwürfe für Seidenwebereien. Es wird auffallen, daß cs sieb
dabei um große Blätter handelt, auf denen sich trotzdem keine
Wiederholungen, wie sie doch zum Begriff des Musters ge
hören, finden; sehr oft wirken die Blätter ausgesprochen bild
mäßig. Bei genauerem Betrachten zeigt sich aber immer in
der oberen Hälfte ein Richtungswechsel, die Einzelheiten
stehen sozusagen auf dem Kopf; sie sind eben, selbst wo es
sich um Landschaften handelt, nicht Selbstzwcdc, sondern
Bestandteil eines Musters, das nach beiden Höhenrichtungen,
nach oben und unten, abwechselnd ausgerichtet ist. An der
oberen und unteren Kante ist auch stets der Anschluß des
Musters zu verfolgen; die hier überschnittenen Einzelheiten
werden dort fortgesetzt. Das zunächst in sich geschlossen
wirkende Gebilde wiederholt sich der Länge nach in unend
licher Folge. Ein seitlicher Anschluß, der es erlauben würde,
die Gewebebahnen zur unendlich gemusterten Fläche zusam
menzusetzen, ist nicht vorgesehen.
Die Mode, derartig große Muster, die kaum noch als solche
aufgefaßt werden können, sei es in Stickerei oder Malerei
oder eingewebt, für Kleider zu verwenden, bildete sich in der
Tokugawa-Zeit (1603—1867) heraus. In diesen friedlichen
Jahrhunderten wuchs der Wohlstand und damit der Luxus
so an, daß die Entwicklung zu immer größerem Prunk dazu
führte, auch die Muster immer auffallender, größer zu ge
stalten. Diese Erscheinung, in der die Theater- und Lebcwelt
führend war, reichte auch in die zweite Hälfte des 19. Jahr
hunderts hinein, aus der die ausgestellten Vorlagen stammen.
Bei der Beurteilung dieser modischen Übersteigerungen darf
man nicht vergessen, daß die japanische Frau keinen Schmuck
trug und daß die Räume, in denen sie sich auch bei festlichen
Anlässen bewegte, verglichen mit den Prunkräumen der west
lichen Kulturwclt, einfach und zurückhaltend waren. In eine
schlichte Umgebung sollten diese Stoffe leuchtende, festliche
Akzente bringen.
Der Spätzeit entsprechend verwenden auch die Stoffentwürfe
wie die Färberschablonen, den ganzen reichen Schatz über
lieferter Ornamentik zugleich mit Anregungen, die der un
mittelbaren Naturbeobachtung ebenso wie auch der westlichen
Kunst entstammen. Da aber hier die vereinheitlichende Kraft