X. Unterricht im Zeichnen.
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nen verlangt, und der Methode des Zeichnungs-Unterrichtes wurde daseihst eine
grössere Aufmerksamkeit zugewendet.
Bei den Strömungen der Zeit, welche in der Vermehrung der Schulen,
in der Hebung des Volksschul-Ünterriehtes die besten Mittel zur Gründung des
Volkswohlstandes erblickte, bei dem gänzlichen Umschwünge der Anschauungen
über Erziehungs- und Unterrichtswesen überhaupt, konnten die bisher unter
nommenen, kaum ausgeführten Reformen nicht mehr genügen, und es wurde im
Jahre 1869 mit der Keorganisirung des gesammten Volksschulwesens begonnen.
Es wurden neue Gegenstände in den Bereich des Unterrichtes gezogen, man
hatte den Werth des Zeichnens als Unterrichts-Gegenstand erkannt.
Die Volksschulen wurden auf sechs Classen erweitert, Bürgerschulen er
richtet, Bildungsanstalten für Lehrer und Lehrerinnen ins Leben gerufen, und an
allen diesen Schulen der Zeichnungs-Unterricht als obligater Lehrgegenstand
eingeführt. Hiemit ist dem Zeichnen, das vorher in der Volksschule nur in
der letzten Classe gelehrt werden durfte, eine neue noch wenig betretene
Bahn zur Thätigkeit angewiesen.
Während nun das Zeichnen aus seiner ursprünglich beschränkten Stellung
heraustrat und einen immer grösseren Wirkungskreis gewann, schwanden nach
und nach die Zweifel, welche gegen die Berechtigung und Nützlichkeit des
selben an Volksschulen theilweise noch bestanden hatten, und es kam eine
grössere Klarheit in die Ansichten über den Unterrichtsgang des vor Kurzem
noch wenig bekannten Gegenstandes. — Die Erfahrung hat gelehrt, dass die ge
naue Kenntniss und Unterscheidung elementarer geometrischer Können die beste
allgemeine Grundlage für das Zeichnen sei, und dass demgemäss nach den
ersten Uebungen im Zeichnen gerader und krummer Linien, die durch Thei-
lung und Verbindung derselben gewonnenen geometrischen Eiguren die besten
Vorbilder für den Anfänger sind, indem aus diesen Elementen nach Bedarf des
Unterrichtes auch andere Gegenstände gebildet werden können. Es haben sich
ferner das Vorzeichnen und Erklären des Lehrers an der fechultafel, das
Nachzeichnen der Schüler in stigmographisch punctirte Hefte als vorzügliche
Mittel für den Classenunterricht, letzteres nur für die untersten Classen der
Volksschule bewährt. Das Zeichnen nach Dictaten, wie das Zeichnen aus dem
Gedächtnisse haben sich gleichfalls für den Unterricht als förderlich und nütz
lich erwiesen.
Die Einhaltung eines geordneten Stufenganges für das Zeichnen, die Ver
meidung eines nur auf mechanische Einübung abzielenden Unterrichtes wird
gegenwärtig von Jedermann als nothwendig anerkannt.
In dieser Weise begann der Zeichnungs-Unterricht sich zu gestalten, und
es ist in der kurzen Zeit seines Bestandes für die Volksschulen wie der damit
verbundenen Anstalten der Anfang zu seiner gedeihlichen Entwicklung gemacht. )
1) In den Wintermonaten 1872/73 wurden im Aufträge Sr. Excellcnz des Herrn Ministers
? on Stremayr von einer Commission zur Regelung des Zeichen - Unterrichtes neue „Ent
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