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Volltext: Bericht über österreichisches Unterrichtswesen, aus Anlass der Weltausstellung 1873, II. Theil

1. Gesetzliche Bestimmungen. 
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Statut für das Taubstummen-Institut in Wien. Eigenschaft des Instituts 
und Erhaltung desselben. 
§. 1. Das Taubstummen-Institut in Wien ist eine dem Gebiete der Volks- und 
Bürgerschulen angehörige öffentliche Lehr- und Erziehungsanstalt, und vermöge seiner 
ursprünglichen Gründung fortan berechtigt, das Prädicat „kaiserlich-königlich” zu führen, 
Der Kostenaufwand für dieses Institut ist, in so lange nicfit weitere Anordnungen 
getroffen werden, durch Vertheilung auf die Verpflegskosten der darin untergebrachten Zöglinge 
unter Mitwirkung des freien Instituts-Vermögens zu bestreiten. lieber das Verhältniss und 
Ausmass dieser Mitwirkung entscheidet der Unterrichts-Minister. 
Der Staat hetheiligt sich an der Erhaltung des Institutes nur durch Fortführung 
einiger Stiftplätze, beziehungsweise durch die Zahlung der für dieselben entfallenden Ver 
pflegskosten. Die Zahl der Aerarial-Stiftungsplätze beträgt gegenwärtig 20; sie kann jedoch 
vom Unterrichts-Minister so weit vermindert werden, als es das freie Instituts-Vermögen, 
Beiträge des Landes oder neue Privatstiftungen für Aufnahme von Zöglingen gestatten. 
Der bisherige Gehalt des Religionslehrers, zugleich Seelsorgers, wird aus dem Religions- 
fonde bestritten. 
Zweck des Instituts. 
§. 2. Das Institut hat den Zweck, gehör- und sprachlosen Kindern beiderlei Ge 
schlechtes die nöthige Erziehung, und den zu ihrer praktischen Befähigung im Lehen 
erforderlichen Unterricht zu verschaffen, ferner den Candidaten für das Lehramt an Volks 
schulen, sowie den angehenden Religionslehrern dieser Schulen durch besondere Lehrcurse 
die Gelegenheit zu bieten, mit der Taubstummen-Unterrichts-Methode sich genau bekannt 
zu machen. 
Die Organisation dieser Lehrcurse wird nach Anhörung der Landes-Schulbehörde 
vom Unterrichts-Minister festgesetzt. 
Personalstand. 
§. 3. Der Personalstand des Institutes besteht aus: dem Director, dem Religions 
lehrer, zugleich Seelsorger des Institutes, und sieben Lehrern, welche zusammen den Lehr 
körper bilden; ferner aus zwei Stipendisten (mit Stipendien betheilten Lehramts-Candidaten) 
und den erforderlichen Dienstpersonen. 
Unterricht. 
§. 4. Die Bildungszeit der Instituts-Zöglinge dauert acht Jahre. 
§. 5. Lehrgegenstände sind: Religion, Laut- und Schriftsprache, Lesen, Schreiben, 
Rechnen, Zeichnen, Erd- und Vaterlandskunde, Naturgeschichte, Naturlehre, Gewerbe 
kunde, Turnen. 
Bei den weiblichen Zöglingen tritt eine ihren Verhältnissen entsprechende Unter 
weisung und Uebung in weiblichen Handarbeiten und häuslichen Verrichtungen hinzu. 
§. 6. Der Unterricht wird in acht Classen ertheilt. In den untern vier Classen 
dürfen nicht mehr als je zwölf, in den oberen Classen nicht mehr als je zwanzig Zöglinge 
gemeinschaftlich unterrichtet werden. 
§. 7. Der Lehrplan ist vom Lehrkörper unter Mitwirkung des k. k. Landes-Schul 
inspectors zu vereinbaren, und durch die Landes-Schulbehörde der Genehmigung des Unter 
richts-Ministers zu unterziehen. 
Die Studieneintheilung und die Hausordnung werden auf Grund der Anträge 
des Lehrkörpers von der Landes-Schulbehörde festgesetzt. 
§. 8. Mindestens einmal im Monate hat der Lehrkörper zu einer Conferenz zu 
sammenzutreten. 
Gegenstand der Conferenz sind alle die Interessen des Institutes berührenden Ange 
legenheiten, und insbesondere die Wahrnehmungen über die Erziehung und die Fortschritte 
der einzelnen Zöglinge. Den Vorsitz in der Conferenz führt der Director, und im Falle 
seiner Verhinderung der rangälteste Lehrer. 
Die über die einzelnen Sitzungen aufzunehmenden Protocolle sind jedesmal längstens 
hinnen acht Tagen nach abgehaltener Conferenz der Landes-Schulbehörde vorzulegen.
	        
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