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Volltext: Bericht über österreichisches Unterrichtswesen, aus Anlass der Weltausstellung 1873, II. Theil

XI. Musikunterricht. 
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für das sociale Leben. Viele, selbst, kleinere Städte Deutschlands haben ihre 
eigenen Musiksäle, ihre meist tüchtig geleiteten gemischten Chorvereine, ihre 
Stadtorchester, ihre im Vergleiche doch wenigstens erträgliche Kirchenmusik. 
lieber den musikalischen Unterricht der in vielen Erziehungsfragen so 
weit vorgeschrittenen Schweiz äussert sich J. Schäublin: 1 ) 
„In den schweizerischen Oantonen ist der Gesangunterricht für die 
Volks- und Mittelschulen obligatorisch und es sind denselben gewöhnlich 2 wöchent 
liche Stunden eingeräumt; er wird in den meisten Volksschulen mittelst der 
Violine, in Mittelschulen auch bei Clavier ertheilt; auch das Harmonium hat 
sich da und dort eingenistet. In den schweizerischen Lehrerseminarien steht der 
Unterricht im Gesänge, den Elementen der Harmonielehre, im Violin- undClavier- 
spiel als obligatorisch auf dem Pensum; Orgelunterricht nur in den Cantonen, 
in welchen die Gemeinden Orgeln haben. Die musikalischen Lehrmittel werden 
in der Regel von den Cantonal-Lehrervereinen geprüft und dann an die Erziehungs- 
bchörden bezügliche Vorschläge gemacht. Letztere haben dann endgiltig zu 
entscheiden. Sicht in allen Cantonen sind diese Lehrmittel obligatorisch; in einigen, 
wie z. B. im Canton Basel - Stadt, werden sie nur zum Gebrauche empfohlen, 
Mehrere gesangliche Lehrmittel sind von Seminarlehrern im Aufträge der betreffen 
den Erziehungsbehörden verfasst und werden dann auf Staatskosten gedruckt. 
Die Lehrer haben in ihren Cantonen vor einer eigens bestellten Prüfungscommission 
mehrtägige Patentprüfungen zu bestehen. Die Freizügigkeit der Lehrer ist nur 
noch eine Frage der Zeit.” 
Angesichts des bisher Angeführten, woraus ersichtlich ist, welche Bedeutung 
man überall einem tüchtigen Clavierunterrichte an den Lehrer-Bildungs- 
stalten beimisst, mag es befremdlich erscheinen, dass unter der Lohrerwelt 
Oesterreichs sich die Ansicht Geltung verschaffen konnte, der Clavierunterricht 
an den Lehrer-Bildungsanstalten sei gänzlich aufzulassen, und auch an den 
weiblichen Anstalten durch den Violinunterricht zu ersetzen. Diese Ansicht 
bildete einen Gegenstand der Berathung beim letzten österreichischen Lehrer 
tage in Klagenfurt (1872) und fand von Seiten der Anwesenden vielfältige 
Zustimmung. Eine eingehende Erörterung der Frage übersteigt die Aufgabe 
dieses Berichtes; doch ist im Interesse der Sache zu constatiren, dass jene 
Ansicht bisher vom k. k. Unterrichts-Ministerium nicht adoptirt wurde. Auch 
möge das Votum hier Raum finden, welches eine Kunstautorität ersten 
Ranges, Franz Liszt, in dieser wichtigen Frage musikalischer Erziehung 
über Ersuchen des Verfassers dieser Zeilen im Februar d. J. abzugeben die 
Güte hatte, und das wortgetreu folgendermassen lautet: 
1) Durch gütige Vermiüelung des Dichters Friedr. Oscr in Basel steht dem Referenten eine 
werthvolle Zuschrift seitens des um die musicalischen Zustände der Schweiz hochverdienten Herrn 
J. Schäublin (Verfasser der im Aufträge der „Schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft” aus 
gearbeiteten Schrift „Ucber die Bildung des Volkes für Musik und durch Musik”) zu Gebote, deren 
wesentlichen Stellen hier folgen. 
U*
	        
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