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Volltext: Bericht über österreichisches Unterrichtswesen, aus Anlass der Weltausstellung 1873, II. Theil

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Volks- und Bürgerschulen: II. Kinder-Bewahranstalt und Kindergarten. 
Weise gesorgt wird. Es muss sich das „Bewahren” unter einen hohem Gesichts 
punkt, unter den der Erziehung ordnen, und demnach in Form des Spieles das 
Kind selbstthätig entwickelt werden. Dieses Ziel hatte Friedrich Fröbel bei 
Errichtung der Kindergärten im Auge. Am 28. Juni 1840, am Tierhundert 
jährigen Jubiläum der Erfindung der Buchdruckerkunst, eröffnete Fröbel einen 
allgemeinen deutschen Kindergarten, der als Musteranstalt für Kinderpflege 
dienen sollte und mit dem eine Bildungsanstalt für „Kinderführer und Kinder- 
führerinnen” verbunden war. Kindergarten nannte Fröbel seine Anstalt, so 
wohl weil er für nothwendig hielt, dass mit derselben ein Garten vei-bunden 
sei, als auch weil er mit der Benennung symbolisch darauf hinweisen wollte, 
dass die Kinder den Pflanzen dos Gartens gleichen, und demgemäss behandelt 
werden müssen. 
Die wichtigsten Mittel, deren sich der Kindergarten bedient, sind folgende: 
1. Bewegungsspiele. Im Zimmer, oder bei günstigem Wetter im 
Garten ausgelührt, ahmen dieselben irgend eine menschliche Thätigkeit, irgend 
einen den Kindern schon bekannten oder vorher genügend erklärten Vorgang 
in der Katar nach. Indem die Kinder solche Thätigkeiten und Vorgänge durch 
Bewegungen der Arme und Beine, sowie überhaupt der Glieder darstellen und 
diese Bewegungen mit Gesang begleiten, führen sie ein ihrem Alter entsprechendes 
Freitarnen aus, und gleichzeitig wird ihr Tactgefühl und Tonsinn geweckt und 
gepflegt. Durch die Reproduction selbsterfahrener und ihnen erklärter Vor 
gänge und Thätigkeiten und das Erlernen der Texte und Melodien der das Spiel 
begleitenden Lieder werden Auffassungs-, Erinnerungs- und 'Vorstellungsvermögen, 
Phantasie und Gedächtniss der Kinder in beständiger Uebung erhalten. Allein 
auch für die sittliche Entwicklung bildet das Spiel eine geeignete Handhabe. 
Will das Kind an der Freude der Anderen theilnehmen, so muss es sich frei 
willig als Glied dem Ganzen unterordnen und den Spielgesetzen fügen, und wird 
so zur Beherrschung und Besiegung des Eigenwillens geführt, üeberdiess bietet 
die Ausschliessung eines unartigen oder unfolgsamen Kindes ein Straf- und Zucht 
mittel, dem selbst der härteste Sinn nicht für längere Zeit widerstehen kann. 
2. Gärtnerei. So weit es der vorhandene Gartenraum zulässt, wird 
derselbe nicht bloss zur Ausführung der genannten Spiele, sondern gleichzeitig 
dazu verwendet, die Kinder zur Beobachtung der Natur und zur Beschäftigung 
mit den Erzeugnissen derselben anzuleiten. Zu diesem Zwecke werden den 
einzelnen Kindern vollständig hergerichtete Beete übergeben und durch einge 
steckte Stäbchen mit den Kamen der Kinder als ihr derzeitiges Eigenthum be 
zeichnet. Alle leichteren Arbeiten, wie Säen und Stecken, Begiessen und Jäten, 
werden von den Kindern selbst ausgeführt, und die Kindergärtnerin zeigt 
ihnen, indem sie von Zeit zu Zeit einzelne Samenkörner blosslegt, die fort 
schreitende Entwicklung derselben. Wenn dann die Pflänzchen über der Erde 
erscheinen, lernen die Kinder dieselben nach Blättern, Bliithen und Früchten 
unterscheiden. Ausser den besonderen Beeten der Kinder enthält der Garten
	        
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