2b Volks- und Bürgerschulen: II. Kinder-Bewahranstalt und Kindergarten.
verbunden werden. Solche Lehrcurse können vom Minister das Oeffentlichkeits-
recht unter der Bedingung erhalten, dass der Lehrplan nicht wesentlich von
dem der Lehrcurse an den öffentlichen Lehrerinnen-Bildungsanstalten abweiche,
dass bei der Bestellung der Lehrer die Bestätigung der Landes - Schulbehörde
eingeholt, und dass die Schlusspriifung unter der Leitung eines Abgeordneten
der letztem vorgenommen werde.
Ausserhalb der im Reichsrathe vertretenen Länder erworbene Befähigungs-
Zeugnisse bedürfen der ausdrücklichen Anerkennung des Unterrichtsministers.
Im §. 25 der "V erordnung folgt dann die für die Verbesserung der Er
ziehung im Allgemeinen wichtige Bestimmung, dass die Mädchen in der Ober-
classe der Volks - und Bürgerschule nach Thunliehkeit zur Theilnahme an den
Spielen und Beschäftigung des Kindergartens beizuziehen sind, und dass über-
diess jeder Leiter, jede Leiterin eines Kindergartens berechtigt ist, Mädchen,
welche der Schulpflicht bereits genügt haben, eine Anleitung zur naturgemässen
Kinderpflege zu geben und ihnen über den dadurch erzielten Erfolg Zeugnisse
auszustellen.
Unter B wird von den Kinderbewahranstalten gehandelt. Zur Errichtung
derselben ist die Bewilligung der Landes - Schulbehörde erforderlich, der es in
jedem Falle zusteht, die Bedingungen dieser Bewilligung festzusetzen. Für
die Beaufsichtigung gelten dieselben Bestimmungen, wie für die Aufsicht der
Kindergärten.
Die Theilnahme der Lehrer Oesterreichs an der Kindergartensache und
ihr lebhaftes Interesse für dieselbe gab sich dadurch kund, dass bei Gelegenheit
des 4. österreichischen Lehrertages in Linz im Jahre 1871 eine Section
zur Verbreitung von Kindergärten ins Leben trat, welche in Wien ihren Sitz
hat und an dem Zustandekommen der oben skizzirten Verordnung mitwirkte.
Die Intentionen der Regierung können jedoch, wie es in der Natur der
Sache gelegen ist, nur nach und nach ihre Verwirklichung finden; insbesondere
da. mit der Heranbildung einer ausreichenden Anzahl von Kindergärtnerinnen
begonnen werden muss, die Verbindung von Lehrcurscn aber mit den öffent
lichen Lehrerinnen - Bildungsanstalten, die dann nothwendig auch Uebungs-
Kindergärten erfordern, bei der gegenwärtig in den grossen Städten herrschen
den Wohnungs-Calamität auf Hindernisse stösst. So viel uns bekannt, ist mit
Beginn des laufenden Schuljahres bloss in Gratz ein solcher Lehrcurs eröffnet
worden und die Einrichtung eines zweiten in Trient für das nächste Schuljahr
in Aussicht genommen. Ausserdem ist dem Frauen - Erwerbvereine in Prag,
der am 15. November 1872 einen Curs für Kindergärtnerinnen eröffnete, die
Bewilligung ertheilt worden, seine Schülerinnen am Ende des Schuljahres
einer Prüfung an der k. k. Lehrerinnen - Bildungsanstalt unterziehen und so
mit staatsgiltigen Zeugnissen versehen zu lassen.
In Linz fand sich im Laufe des Jahres 1872 eine Anzahl von Fröbel-
freunden zusammen, welche sich die Errichtung einen Kindergartens zur