I. Italienisches Schulwesen.
Bericht von Landesschulinspector Dr. Ernst Gnad in Trient.
Die durch das Reichsgesetz von 14. Mai 1869 hervorgerufene, tiefgreifende
und erfolgreiche Umgestaltung des Volksschulwesens hat auch an den italienischen
Schulen der Monarchie in kurzer Zeit einen bedeutenden Aufschwung zu Folge
gehabt. Wenn derselbe jedoch trotz der raschen und lebendigen Empfäng
lichkeit, welche die italienische Bevölkerung für erspriessliche [Neuerungen an
den Tag legt, mit dem Aufstreben der Schulen in den meisten deutschen Kron-
ländern nicht gleichen Schritt zu halten vermochte, so liegt das zumeist in
dem für eine gleichmässigo Entwickelung des italienischen V olksschulwesens
bedauerlichen Mangel an brauchbaren und passenden Lehrmitteln. Die Er
weiterung des Yolksschul-Unterrichts durch Einbeziehung neuer Lehrfächer, die
gänzliche Umgestaltung der Lehrer-Bildungsanstalten machte ein vielseitiges
Bedürfniss nach eigens für die neuen Unterrichtszwecke eingerichteten Lehr
büchern und Hilfsmitteln geltend, welchem in den deutschen Kronländern in
den letzten Jahren durch lebhafte Betheiligung der betreffenden Fachmänner
zum grossen Theile abgeholfen wurde, während in den italienischen Gebieten
Schule und Lehrer meist in dieser Hinsicht auf die Initiative der Regierung
verwiesen blieben. Das Ministerium hat namentlich durch die im k. k. Schul
bücher-Verlage herausgegebenen Lehrbücher für passende, den neuen Anfor
derungen entsprechende Lehrmittel in italienischer Sprache möglichst Sorge
getragen; aber eine gänzliche Abhilfe des vielseitigen Bedürfnisses ist, ohne
Mitwirkung buchhändlerischer Unternehmungen nnd ohne Betheiligung der italie
nischen Lehrer an den wissenschaftlichen Aufgaben nicht zu erzielen. Aach
beiden Seiten hin fehlt es weder an gutem Willen noch an Fähigkeit; aber
die geringere Anzahl italienischer Schulen bietet dem "V erfasser, so wie dem
Verleger bei dergleichen Unternehmungen wenig Bürgschaft für die Einbringung
der hiemit verbundenen Mühen und Rosten. Der Volksschullehrer und Lehrer
bildner, welcher der deutschen Sprache kundig ist, hilft sich durch Benützung
deutscher M erke leicht über diese Lücken hinweg; der des Deutschen unkun
dige Lehrer aber ist genöthigt, sich in der einschlägigen Literatur des benach
barten Königreiches Italien nach Brauchbarem umzuthun.