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Volltext: Bericht über österreichisches Unterrichtswesen, aus Anlass der Weltausstellung 1873, II. Theil

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Volks- und Bürgerschulen: IV. Religions-Unterricht. 
Die allgemeinen Grundsätze, nach welchen in sämmtlichen evangelischen 
Schulen der Monarchie der Religions - Unterricht ertheilt wird, lassen sich in 
Folgendem zusammenfassen: 
1. Die Religion ist in erster Linie nicht sowohl Sache des Verstandes, 
als vielmehr Sache des Gemüthes und des Willens. Der Zweck des Religions 
unterrichts ist also Sättigung des- Gemüths mit frommen Gefühlen und An 
regung der Willensthätigkeit, diesen Gefühlen durch ein frommes Lehen Aus 
druck zu geben. 
2. Da aber Gemüth und Wille nur dann disciplinirt sind, wenn sie eine 
gediegene Verstandesbildung zur Seite haben, so muss der Religions-Unterricht 
auch darauf Redacht nehmen, die religiöse Erkenntniss zu wecken und zu 
fördern. 
3. Da es einer der Grundsätze des Protestantismus ist, alle religiöse 
Erkenntniss nur in der Form der persönlichen Ueberzeugung als sittlich be 
rechtigt anzuerkennen, so ist es Aufgabe des Religions-Unterrichts, dahin zu 
streben, dass der sämmtliche angeeignete religiöse Erkenntnissvorrath schliesslich 
einen Restandtheil der Ueberzeugungen des der Schule entlassenen Kindes bilde. 
4. Zu diesem Rehufe muss von der einseitig dogmatischen Darstellung 
des religiösen Erkenntnissstoffs abgesehen, es muss vielmehr die historische 
zur Grundlage genommen werden. Auf der Basis der aus der Kenntniss der 
Geschichte der christlichen Religion geschöpften christlichen Grundideen muss 
sich alsdann die genauere Erkenntniss der christlichen Lehre, und zwar der 
specifisch protestantisch-christlichen Lehre erbauen. 
Da der Religions - Unterricht seiner formalen Seite nach sich nothwendig 
den allgemeinen Gesetzen der pädagogischen Wissenschaft unterordnen muss, 
so ergeben sich noch folgende Sätze, welche, in manchen Schulen in abgekürz 
ter, in andern in erweiterter Form, zur Geltung gelangen. Der Kürze wegen 
nehmen wir als Mittel zwischen den ein- und den mehrclassigen Volksschulen 
drei Stufen an, innerhalb welcher der Religions-Unterricht ertheilt wird. 
1. Aller Jugend-Unterricht muss von der Anschauung ausgehen. Die 
erste Stufe des Religions-Unterrichts ist daher der religiöse Anschauungs 
unterricht. 
2. Da die Kenntniss der Geschichte der christlichen Religion die Grund 
lage sowohl für die Erkenntniss der in der christlichen Religion waltenden 
sittlichen Grundideen, als auch für die Anbahnung einer theoretischen Auf 
fassung der religiösen Wahrheiten bildet, so ist die Aneignung der biblischen 
Geschichte die auf der zweiten Stufe allgemein gebräuchliche Unterlage 
für allen weiteren sittlichen und intellectuellen religiösen Unterrichtsstoff. Auf 
der dritten Stufe wird dieser Unterricht in der biblischen Geschichte erweitert 
und durch den in der Kirchengeschichte ergänzt. Zugleich wird auf der 
zweiten Stufe der Unterricht durch Erlernung von Kernsprüchen der heiligen 
Schrift, sowie von Kernliedern des evangelischen Gesangbuchs unterstützt.
	        
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