DENKMÄLER ALTRUSSISCHER MALEREI
RUSSISCHE IKONEN VOM XII. BIS XVm. JAHRHUNDERT
Von Igor Grabar
Es ist zur Genüge bekannt, daß die vor mehreren Jahrhunderten
geschaffenen Denkmäler der Malerei keineswegs in ihrem ursprünglichen,
sondern in einem bedeutend veränderten Zustande in unsere Hände
gelangen. Die zerstörende Macht der Zeit — das allmähliche Verwesen
und die »Erkrankungen« des Materials — tragen aber am wenigsten
die Schuld daran; in den meisten Fällen ist es der Mensch selbst, der das
Denkmal, öfters bis zur völligen Unerkennbarkeit, entstellt.Will man
das Kunstwerk in derjenigen Gestalt erschauen, die ihm sein Schöpfer
gegeben, so soll man dasselbe von zahllosen Aufschichtungen befreien,
indem man die im Laufe der Jahrhunderte entstandenen Übermalungen
verschiedenartiger »Ausbesserer« und vandalischer Restauratoren Schicht
für Schicht entfernt.
Die im trockenen Klima des Südens unter stets leuchtender und
wärmender Sonne entstandenen und bewahrten Denkmäler der Malerei
können sich des bestmöglichen Zustandes erfreuen. Im Norden dagegen,
wo den größeren Teil des Jahres Dunkel herrscht, und die Luft feucht
ist, leidet die Malerei selbstverständlich im höchsten Grade. Auch
können die in hellen Bildergalerien untergebrachten Kunstwerke besser
auf bewahrt werden als diejenigen, die sich in schwachbeleuchteten Kirchen
befinden, wo Lichter, Kirchenlampen und Weihrauch das Bild Tag für
Tag mit Ruß überziehen.
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