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Von den übrigen Werken aus Stein nennen wir das fignrenreiche Tympanon am Portal
der Kirche zn Maria-Zell (siehe Seite 111), die schöne, ausdrucksvoll gebildete Porträt
büste (wahrscheinlich den Propst Konrad Zeidlerer, gestorben 1442, darstellend) an der
Brüstung der Empore der Kirche zu Pürgg, die tüchtig gearbeitete Grabplatte Ernst des
Eisernen zu Rein, der Herzog in voller Rüstung ruhend, die Füße auf zwei Löwen
gestützt (siehe Seite 113), ferner den besonders reich gebildeten Grabstein des Bischofs
Georg llberägker im Dom zu Seckau von 1477. Obersteiermark, als Hochgebirgsland, besitzt
heute noch ziemlich viele gothische Flügelaltüre. An denselben befindet sich manch treffliches
Werk der figuralen Holzplastik. Wir nennen, ohne im Stande zu sein, einen einzigen
Künstlernamen bringen zu können, die mit kräftigem Realismus modellirten zwölf Apostel
gestalten des Altares zu Gröbming, die Gruppe Marias Krönung der Schloßkapelle zu
St. Lambrecht, die schönen Figuren des Altars zu St. Martha bei Knittelfeld und die edle
Gestalt der heiligen Katharina zu St. Georgen ob Mnrau, letztere beide aus dem Anfang
des XVI. Jahrhunderts, allerdings schon von der Renaissanceströmnng beeinflußt.
Die neue Kunst, die Renaissance, setzt in Steiermark gleich mit einigen tüchtigen
Werken der Malerei ein, um dann auf Jahrzehnte hinaus förmlich zu versiegen. Von 1518
besitzen wir ein köstliches Werk aus der Spitalskirche zu Bruck an der Mur, den heiligen
Martin zu Pferde, mit dem Armen den Mantel theilend. Die schöne Compositiou, die
naturalistische Treue, mit der die Bettler und das Reitpferd dargestellt sind, vor Allem
die prächtige an Dürer erinnernde Landschaft, lassen erkennen, daß unter den Initialen
I. A., mit welchen das Bild signirt ist, sich ein tüchtiger deutscher Maler birgt. Ver
schöne Flügelaltar zu Reifling, mit zwölf Scenen aus der Passion, 1518 von Albrecht
Altdorfer gemalt, ist zwar kein steirisches Werk, läßt aber erkennen, daß in jener Zeit selbst
in weitab liegenden Gebirgsthälern, das Bedürfniß bestand, bedeutende Maler zum
Schmuck der Kirchen heranzuziehen. Ob Altdorfer den erwähnten Altar in Reifling selbst
malte, wissen wir nicht, aber ein Schüler Dürers war damals sicher in Obersteier thätig,
das beweist die prächtige Madonna mit dem Kinde im Corridor des Stiftes St. Lambrecht,
vom Abt Valentin Pirner 1524 gestiftet, welche entschieden den Charakter der Dürer'scheu
Schule erkennen läßt, ferner ein leider nicht mehr vorhandenes Holztafelgemülde in der
Wallfahrtskirche Maria-Zell mit 47 Scenen, Wunderthaten der heiligen Maria. Die nach
den Bildern dieser Tafel angefertigten Holzschnitte, von denen eine Serie von 25 Blättern
in Regensburg sich erhalten hat, weisen direct ans die Dürer'sche Schule hin. Auch einzelne
Bilder des schönen Flügelaltars zu St. Georgen bei Rottenmann (z. B. „Flucht nach
Egypten") lassen den Einfluß des Nürnberger Meisters erkennen. Zwischen 1525 und 1530
entstanden die Fresken an den Strebepfeilern der Pfarrkirche in Eisenerz, Heiligengestalten
ans schwarzem Grunde, von denen nur mehr kümmerliche Reste vorhanden sind.
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Von dieser Zeit an tritt in der Malerei Steiermarks ein merkwürdiger Stillstand ein,
eine Pause, die in Graz nur durch einige handwerksmäßige Maler unterbrochen wird, welche
sich mit Bemalen der Holzdecken in den Neubauten der Burg und des Landhauses befaßten.
Unter diesen Verhältnissen darf es uns nicht Wunder nehmen, wenn die Prinzessin Maria,
Tochter des durch seine Kunstsammlungen berühmten Herzogs Albrecht V. von Baiern,
welche 1571 als Gemalin Karls U. nach Graz kam, in Briefen an ihren Bruder wiederholt
darüber klagt, daß in Graz Niemand sei, der ein gutes Gemälde anzufertigen verstehe.
1579 ließ Hofmann, der kunstsinnige Besitzer von Strechan, die Deckenbilder in der
Kapelle des Schlosses anfertigen, zu welchen er offenbar einen italienischen Meister
gewonnen hatte. Diese kleine Decke zählt zu den köstlichsten Werken, welche wir diesseits
der Alpen besitzen. An den Ecken befinden sich vier Tugendfiguren in Stucco, in einund
zwanzig Feldern Semen aus dem alten und neuen Testamente gemalt, dazwischen
Bibelsprüche mit reizenden Grotesken abwechselnd. Das Figurale, besonders das Nackte,
ist mit großer Empfindling und Delicatesse und mit miniaturartiger Feinheit behandelt.
Wir kennen leider den Namen des Malers nicht, können aber eine Verwandtschaft mit
den Grotesken des Bernardino Poccetti im Corridor der Uffizien zu Florenz constatiren.
Erzherzog Karl II., die zur Zeit seines Regierungsantritts bestehende Lücke im
Knnstleben seiner Vaterstadt erkennend, berief 1575 den kaiserlichen Hofmaler Giulio
Licinio, den Neffen und Schüler Pordenones, zur Anfertigung eines Porträts seiner
Gemalin nach Graz und beauftragte ihn, für die Hofkapelle der Burg ein Altarbild zu
malen. Dasselbe stellt den „Leichnam Christi von Engeln bedient" vor und befindet sich
heute im Dome zu Graz. Für den malerischen Schmuck des Mausoleums zu Seckau berief
der Erzherzog 1587 den Mantuaner Maler Teodoro Ghigio, welcher die Fresken der
Decke und die Ölgemälde am Altar, an Wänden und Pfeilern ausführte, von denen
die vier Evangelisten sich durch schöne, charaktervolle Köpfe, durch den in edlen Linien
gehaltenen Faltenwurf und durch besonders ausdrucksvoll gemalte Hände anszeichnen.
Nach dem Tode des Erzherzogs im Jahre 1590 setzte seine Witwe Maria die künst
lerischen Bestrebungen des Gatten fort. Sie ließ von dem Gesandten in Spanien, Grafen
Khevenhiller, zahlreiche Kunstgegenstünde, Gemälde, Statuen, Hausaltärchen, Religuiarien,
Prnnkgefäße, orientalische Teppiche u. s. w. in Madrid ankaufen, ließ vom Grafen
Attimis zu Faenza Majolikageschirr, durch ihren Sohn Ferdinand in Venedig kostbare
Seiden- und Goldstoffe und Gemälde erwerben und bereicherte damit die Kunstkammer
der Burg. Sie wird es auch gewesen sein, welche 1596 den bei Erzherzog Ferdinand in
Tirol beschäftigt gewesenen Peter de Poniis nach Graz zog, im selben Jahre, als Ferdinand
die Regierung der innerösterreichischen Lande antrat. De Pomis, den wir bereits als Bau
meister kennen, entwickelte als Hofmaler des jungen Erzherzogs eine rührige Thätigkeit.