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Wir wollen hier Ursachen und Entwicklung nicht
ausführlich erörtern, können aber doch zum Verständ
nis dieser modernen Erscheinung einige Bemerkungen
nicht übergehen. Den äusseren Anstoss gab wohl die
ausserordentlich gewachsene Liebhaberei unserer Tage
für alte Kunstgegenstände ; sie rief zunächst die Fäl
schung hervor und der Fälschung folgte die offene
Nachahmung. Allein diese Ursache hätte die Kunst-
faiencen niemals zu einem allgemeinen Industriezweig
machen können. Es kam ihnen ein ausgesprochenes
ästhetisches Bedürfnis entgegen, welches darauf beruhte,
dass alles eigentliche Luxusgeräth in Porcellan, wie
wir es zur Decoration und Bereicherung der modernen
Wohnung gebrauchen, unter der Führung der Fabrik
von Sevres so von dem rechten Weg abgeirrt war und
so wenig mehr einem wirklich gebildeten Geschmack
entsprach, dass ein Hunger nach Besserem erwachen
musste. Und diesem Bedürfniss, diesem Hunger ent
sprachen die alten Faiencen, nämlich die italienischen
Majoliken, die deutschen glasirten Gefässe des sechs
zehnten und siebzehnten Jahrhunderts, die französischen
Palissy-Arbeiten, das Delfter Geschirr u. s. w. ganz
vortrefflich. Sie entsprachen zugleich decorativ dem
veränderten Geschmack in der Ausstattung unserer
Wohnung, der es auf eine ernstere, ästhetisch gedie
genere Art abgesehen hat.
So ruht denn die ganze moderne Faience-Industrie,
so umfassend sie nach den betheiligten Ländern, so
reich sie in ihren Arten ist, ganz und gar auf den
alten Kunstfaiencen, auf all dem, was Sache der Kunst-