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der Kunstindustrie. Entsprechend der französischen Vor
liebe ist es denn auch die Pflanze, die Blume, die
Ranke in naturalistischer Gestaltung, welche auf tüll
artigem Grunde alle modischen Spitzenarbeiten be
decken, die grossen Shawls und Echarpen, die Schleier,
die Kragen, die Barben, die Schirmdecken u. s. w.,
die weissen Spitzen wie die schwarzen. Natürlich, da
das Material bescheiden in seinen Mitteln ist, so ist
die erreichte Naturtreue eine sehr unzulängliche und
die Zufälligkeit in der Zeichnung, welche der Naturalis
mus verlangt, dient nur dazu, das Muster, das mit
Bouquets und Ranken oft grosse Dimensionen annimmt,
unklarer zu machen. Wird der Gegenstand dann noch
gefaltet getragen, so wird die Zeichnung vollends un
kennbar. Bei diesen Uebelständen ist es die Aufgabe
eines guten Spitzenzeichners, neben der Abwechslung
und der Wahrung der verschiedenartigen technischen
Varianten, wie sie die Nadelarbeit zulässt, das Muster
bei grösster Feinheit und bei grösstem Reichthum des
Details doch möglichst klar, deutlich und rein zu halten.
Wir finden in den brillanten Ausstellungen der fran
zösischen und belgischen Spitzenfabrikation höchst be
wunderungswürdige Lösungen dieser schwierigen Auf
gabe, aber auch gewiss eben so ott unklare, unruhige
und so'mit verfehlte Zeichnungen.
Wo es gut und angemessen gemacht worden, da
ist durch eine Art von leichtem Ornament, das
nur zu oft architektonischen Charakter annimmt, eine
breite Bordüre abgetheilt und sonst die Fläche zerlegt
oder arrangirt, und alsdann sind Blumen, Gräser,