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Bonitz. Organisations-Entwurf von 1849.
und ihrer Bedürfnisse verband und das Reorganisationswerk mit umsichtiger
Entwicklung der bildungsfähigen Elemente des Vorhandenen rasch förderte.
Mit Beiziehung anderer Schulmänner, unter denen namentlich K. v. Enk
hervorragte, wurde von Beiden der Entwurf zur Organisation der Gym
nasien und Realschulen in Oesterreich verfasst und mit kais. Genehmi
gung vom 16. September 1849 veröffentlicht, welcher sich in Bedachtnahme
auf die Ergebnisse der pädagogischen Theorie und Praxis der vorgeschrittensten
Staaten unmittelbar auf die Höhe der Zeit stellte, seine leitenden Gedanken
mit strenger Consequenz durchführte und namentlich in folgenden wesentlichen
Puncten von dem Vorbestandenen abwich.
„Die beiden Jahrgänge des philosophischen Obligatcurses werden mit
den zwei Humanitäts-Classen zum Ober-Gymnasium vereinigt, von welchem
das Unter-Gymnasium in methodischer Abstufung geschieden ist, aber als
Vorschule für sänimtliche Lehrfächer mit demselben enge zusammenhängt.
Massgebend für die Aufgabe des Gesammt-Gymnasiums ist der Begriff
der höheren allgemeinen Bildung; das Gymnasium nimmt einen vollständigen
mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht im Ebenmasse mit den philo
logisch-historischen Disciplinen auf, und sein Schwerpunct liegt in der wechsel
seitigen Beziehung beider Gruppen von Unterrichts-Gegenständen auf einander.
Die wöchentliche Stundenzahl einer Classe bewegt sich zwischen 22 und 26.”*)
„Die Combination des Classenlehrer- und des Eachlehrer-
Systems wird darin gesucht, dass die Horm der Lehramts-Prüfungen verwandte
Fächer zu Gruppen vereinigt, das Institut der Classen-Ordinarien einen Ein-
heitspunct für jede Classe schafft, und die Classification der Schüler mittelst
der Roten für die einzelnen Lehrgegenstände und einer allgemeinen Zeugniss-
Classe stattfindet.”
„Mit Beseitigung der Concurs-Prüfungen wird die Anstellung an Gym
nasien, denen das Oeffentlichkeitsrecht zusteht, durch das Lehrbefähigungs-
Zeugniss bedingt. Der Director muss sich an der Lehrthätigkeit betheiligen.”
„An die Stelle der Uebungen im Sprechen eines Lateins von zweifel
haftem Werthe und der Spielerei mit Poetik und Rhetorik tritt möglichst aus
gedehnte Lesung classischer Schriftsteller. Die Stundenzahl für das Griechische
wird erhöht, um auch diese Literatur den Gymnasiasten zugänglich zu machen;
eine Dispens ist nur für jene Schüler des Unter-Gymnasiums zulässig, welche
nicht in das Ober-Gymnasium aufsteigen sollen. Der deutschen Sprache
und den verschiedenen Landessprachen ist volle Rechnung zu tragen.”
„Der geographische Unterricht wird nahezu vollständig mit dem histo
rischen verschmolzen, welcher letztere in zwei Stufen zuerst den biographi
schen, dann den chronologischen Charakter an sich trägt. Rur Vaterlandskunde
1) Furcht vor einer weitverbreiteten Abneigung gegen beträchtliche Erhöhung der bisherigen
Stundenzahl wirkte mit der Rücksicht auf die nothwendige Pflege der Landessprachen und der freien
Lehrgegenstände zusammen, um dieses Minimal-Stundenausmass zu fixiren.