Unterrichts -Ministerium 1848.
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allmälig entstehenden Realschulen, technische Institute, Kunstakademien, ab
gesonderte theologische und medicinisch-chirurgische Lehranstalten wurden in
der Administration den Facultäten gleich gehalten. Nur fand im Jahre 1820
eine vollständige Trennung des akatholischen Volksschulwesens von jenem
der Katholiken mittelst Uebertragung der Districts-Aufsicht über die evangeli
schen Schulen an die Senioren und des weiteren Instanzenzugs an die Super
intendenten, und mittelst Zuweisung der Aufsicht über die griechisch-orientalischen
Schulen an die politischen Behörden statt. Das aufgestellte Unterrichts-Verwal
tungs-System war eben ein treffliches Werkzeug staatspolizeilicher Bevonnun-
dung, entsprach dem Principe unbedingten Stillstandes und geistiger Absperrung
und wirkte wieder mächtig stützend auf beide zurück.
Da kam das Jahr der gewaltigsten Umwälzung alles Bestehenden und die
Errichtung des Unterrichts-Ministeriums mittelst der kaiserlichen Ent-
schliessung vom 23. März 1848 bezeugte sofort, dass man in Neu-Oesterreich
die hohe Bedeutung des öffentlichen Unterrichts wohl zu würdigen verstehe. 2 )
Der Unter-Staatssecretär Ernst Freiherr v. Feuchtersieben entwarf noch in
mitten der bewegtesten Tage die Grundzüge einer Reorganisirung sämmtlicher
Schul- und Studien-Anstalten, Thun und Helfert legten Hand an ihre Durch
führung, welche sich auch auf die Länder der Stephanskrone erstrecken sollte.
Schon im April 1848 wurden die Directorate an Universitäten, Lyceen,
philosophischen Lehranstalten und Gymnasien, sowie die Provincial-Directorate
der letzteren aufgehoben und ihre Wirksamkeit an die Lehrer-Versammlungen
übertragen.
Mit kais. Entschliessung vom 27. September 1849 erfolgte die Organisi-
rung der akademischen Behörden in der bis jetzt gütigen Form. Jede
Facultät wird demnach durch das Professoren-Collegium verwaltet, welches
unter dem \ orsitze des gewählten Decans alle Unterrichts- und Disciplinar-
Angelegenheiten seiner Studienabtheilung leitet. Dasselbe besteht aus sämmt-
lichen ordentlichen und so vielen ausserordentlichen Professoren, bis die halbe
und der Compagnie-, Bataillons- und Regiments-Commanden besorgte, deren Berichte an die Sehul-
Commissionen der Generalate gingen, ohne dass eine Intervention kirchlicher Behörden Platz grifl’. —
Im lombardisch - venetianischen Königreiche fungirten Pfarrer als Schulvorstände und ernannte
geistliche Distnctsaufseher; letztere aber berichteten rücksichtlich der äusseren Schulverhältnisse an
den Provincial-Delegaten (Kreisvorsteher), rücksichtlich der didaktisch-pädagogischen Fragen an den
Provincial-Schulaufseher, dieser letztere aber wieder an den General-Inspector des Gouvernements-
Gebietes als Beigeordneten der politischen Landesbehörde.
2) Der erste Unterrichtsminister, Franz Freiherr von Sommaruga, amtirte nur vom
27. Marz bis 9. Juli 1848; das hierauf folgende Provisorium führte im Ministerium Wessenberg
Ins 11. Oetober der Minister des Innern Anton Freiherr von Dobblhoff, bis 21. November der
Finanzminister Philipp Freiherr von Kraus, im Ministerium Schwarzenberg bis 17. Mai 1849 der
Minister des Innern Iranz Graf Stadion, seither der Ackerbauminister Ferdinand Ritter von
Thinnfeld. Der zweite Unterrichtsminister Oesterreichs, Leo Graf Thun, seit 28. Juli 1849, ver
band mit der obeisten Unterrichts-Verwaltung die bisher dem Ministerium des Innern zugewiesene
oberste Cultus-Verwaltung.