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Volltext: Bericht über österreichisches Unterrichtswesen, aus Anlass der Weltausstellung 1873, I. Theil: Geschichte, Organisation und Statistik des österreichischen Unterrichtswesens

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Realschul- Reform. 
Mit dem Jahre 1857 schloss die Thätigkeit der Regierung für die Errich 
tung neuer Realschulen für eine Zeit lang ah. 1 ) Mit verdoppeltem Eifer 
wendeten sich aber die Communen dieser Thätigkeit zu, zumal die neugestalteten 
Verkehrs^ Verhältnisse besonders in jenen Jahren das Gefühl der Ueberflüglung 
des österreichischen Gewerbfleisses durch den ausländischen und der Lnentbchr- 
lichkeit höherer Bildung der producirenden Stände täglich lebhafter autdrängten. 
Im nächsten Quinquennium entstanden abermals 10 Communal-Realsehulen nebst 
zwei das Oeffentlichkeitsrecht geniessenden Privat-Anstalten. Während bisher 
fast nur die Landeshauptstädte solche Anstalten besassen, verbreiteten sie sich 
jetzt auch ausserhalb jener Orte. 2 ) 
Auch fand die Realschule ein Organ zur Verständigung der Lehrerwelt 
über Eragen der Pädagogik und Didaktik, welche bisher nur in Schul-Program- 
men hauptsächlich durch J. Weiser unermüdet erörtert worden waren, an 
der von E. Hornig begründeten, von W. Warhanek fortgeführten Zeit 
schrift, welche sofort die Debatte über eine Realschul-Reform durch Beseiti 
gung des fachlichen Ballastes und Erweiterung der allgemein bildenden Ele 
mente eröffnete und in zahlreichen Aufsätzen über Detailfragen der Ueber- 
zeugung von der Unhaltbarkeit des Statuts allmälig Bahn biach. 
Das Wort „Annäherung an das Gymnasium” wurde in der Zeitschrift 
zuerst ausgesprochen und mit grosser Lebhaftigkeit von den Realschul-Leln ern 
Wiens der Gedanke ergriffen, im Verein „Mittelschule” den Gymnasial-Lehrern 
näher zu treten. Der erste wissenschaftliche Vortrag des Vereins galt der 
Realschule, die erste äussere Thätigkeit desselben, die Denkschrift an das Ab 
geordnetenhaus, formulirte bereits in bestimmt abgegränzten Puncten die wichtig 
sten Forderungen für die Reorganisation der österreichischen Realschulen. Als 
die Zeitschrift im Jahre 1863 erlosch, bemächtigte sich um so lebhafter die 
„Mittelschule” der Reform-Debatte und führte sie in einer langen, eingehen 
den Verhandlung im Jahre 1864 durch. 3 ) 
Schon war auch die Frage der Reorganisation der Realschulen nicht mehr 
auf den Kreis der fachmännischen Discussion beschränkt, die Errichtung zahl 
reicher gewerblicher und commercieller Schulen hatte die K othwendigkeit ge 
mindert, in der Realschule einen Ersatz für solche Anstalten zu suchen, und 
das Bedürfniss, auch den producirenden Ständen die Bahn einer hohem allge 
meinen Bildung zu eröffnen und die Kluft zwischen ihnen und den durch clas- 
sische Studien Erzogenen zu überbrücken, machte sich immer lebhafter geltend. 
1) Nur zu Tarnopol wurde noch eine Unter-Realschule, zu Görz eine vollständige Realschule 
begründet. 
2) Jene waren die vollständigen Realschulen zu Pisek und Kuttenberg in Böhmen, die Unter- 
Realschulen in der Rossau zu Wien, zu Leoben (Steiermark), Triest (Küstenland), Feldkirch (Vorarl 
berg), Brünn, Iglau und Sternberg (Mähren), Sniatyn (Galizien). Privat-Anstalten entstanden un 
1. und IX. (später VIII.) Bezirke von Wien. 
3) Auch die Veröffentlichung dieser Verhandlungen brachte eine Reihe für den öslerreichischen 
Lehrerstand höchst ehrenvoller gründlicher Erörterungen in das Publicum.
	        
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