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Volltext: Musikalische Instrumente (Gruppe XV), officieller Ausstellungs-Bericht

Mufikalifche Inftrumente. 
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Zunächft dürfte fchon der Name des Erbauers genügen, jeden Verdacht 
einer Charlatanerie fernzuhalten. Das Orgelatelier von Weigle & Söhne in 
Stuttgart geniefst einen fehr guten Ruf, der fich nicht nur auf Württemberg 
befchränkt, fondern bis auf Amerika hinausdehnt. Weigle felbft ift aus der 
Schule Walke r’s hervorgegangen und gehört zu den glücklichften Vertretern 
des Kegelladen-Syftems. Bereits als Gehilfe jenes berühmten Meifters hatte erfich 
bei der Aufftellung der grofsen Orgel desfelben in der Stiftskirche in Stuttgart 
fo trefflich bewährt, dafs ihm die Stadtgemeinde als befondere Auszeichnung das 
Ehrenbürgerrecht verlieh. Seine Orgeln empfehlen fich namentlich durch eine 
fchöne Intonation. 
Die Idee, die Kräfte der Elektricität und des Magnetismus für den Bau 
eines fo complicirten Inftrumentes, wie es die Orgel ift, zu verwenden, hat in unferem 
Telegraphen-Zeitalter nichts Befremdliches und ift auch nicht erft fozufagen 
heute aufgetaucht. Schon vor etwa zehn bis fünfzehn Jahren hatten Telegraphen 
mechaniker auf die grofsen Vortheile aufmerkfam gemacht, welche dem Orgelbau 
erwachfen würden, wenn man , ftatt der befonders bei grofsen Werken äufserft 
verwickelten, fchwergehenden und durch Temperaturwechfel fo fehr beeinflufsten 
Holzmechanik ein anderes Syftem mittelft Hinzuziehens des Elektromagnetismus 
einführen könnte. Es wurden in der That einzelne Verfuche im Kleinen gemacht, 
die fich zum Theil zu koftfpielig erwiefen, und zum Theil kein zuverläffiges Refultat 
ergaben, wefshalb man davon abftand. Allein der Gedanke war doch zu ver- 
führerifch, als dafs man ihn hätte gänzlich aufgeben mögen. Man nahm ihn von 
Neuem, und zwar anfangs in England und Frankreich, dann fpäter in Deutfchland 
wieder auf, und fchritt nun zu Experimenten in gröfserem Mafsftabe, an denen 
fich auch W aiker in Ludwigsburg betheiligte. Die Frucht davon war der elektro- 
magnetifch- pneumatifche Hebel, der in Frankreich erfunden, und hier bei 
kleineren Werken eingeführt wurde, während in Deutfchland die angeftellten Ver 
fuche wieder aufgegeben wurden, weil fie fchon in Betracht des Koftenpunktes 
keinen lohnenden Erfolg in Ausficht Hellten. Jene elektro-magnetifch-pneumatifchen 
Hebelbeftehen in einem kleinen Blafebalg, dem fogenannten Frofchmaul, mit 
zwei kleinen Ventilen, welche durch einen Elektromagnet geöffnet und gefchloffen 
werden können, fonft aber gerade wie die pneumatifchen Hebel angebracht find. 
Mittelft derselben konnten nun zwar die Orgelwerke mit Hilfe der Elektricität 
gefpielt werden; eine Vervollkommnung des Inftrumentes hatte man dadurch 
nicht gewonnen, wohl aber eine Vertheuerung desfelben. 
Die Idee lag nun einmal in der Luft der Zeit, der Unternehmungsgeift liefs 
fich nicht durch diefe winzigen Erfolge abfpeifen, fondern fühlte fich vielmehr zu 
neuen Experimenten angeftachelt. So ging man im Jahre 1869 an das Werk, 
jene berückende Idee zu verwirklichen, und war es diefsmsl G. Gh. Weigle in 
Stuttgart, welcher fich diefer fchwierigen und wenig Dank verheifsenden Arbeit 
unterzog. Diefem endlich gelang es nach drei Jahren fchweren Mähens, im 
Februar des Jahres 1872 ein elektro-magnetifches Orgelwerk mit 10 klingenden 
Stimmen ohne pneumatifche Hebel herzuftellen. „Die fragliche Erfindung kann 
nicht verfehlen, auf dem Gebiete des Orgelbaues und in Folge davon lelbft des 
Orgelfpieles höchft bedeutende Fortfehritte herbeizuführen, wenn den Erfindern, 
welche Inftrumente der verfchiedenften Gröfse bis herab zu den kleinften Salon 
orgeln von eleganter Möbelform in folcher vervollkommnter Weife zu verfertigen 
bereit find, von Seite der Behörden und Privaten die gehörige Würdigung ihrer 
verdienftvollen Leiftungen entgegengebracht wird“, fo lautet das Urtheil, welches 
Sachverftändige über das Werk fällten. Die Erbauer fanden fich nun ermuthigt, 
die anerkannte Bedeutung ihrer Erfindung durch eine gröfsere Orgel zu bewähren, 
welche fie für die Wiener Weltausftellung beftimmten. In Folge grofser Schwierig 
keiten, welche zu befiegen waren, verzögerte fich leider die Vollendung des 
Werkes bis zum Juli; als es hier endlich aufgeftellt war, hatte die Jury längft ihre 
Arbeiten vollendet.
	        
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