Mufikalifche Inflrumente.
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fich der Klang des Inftrumentes durch eine wahrhaft bezaubernde Schönheit aus ;
er ift fo unendlich fiifs und edel, entwickelt auf der andern Seite eine fo grofse
Fülle an Kraft, dafs der angebliche Ausfpruch über die Steinway-Flügel: „Sie find
gleich grofs im Donnerfturm des Gewitters, wie im füfsen Flöten der Nachtigall in
einer Frühlingsnacht'.“ hier den Nagel auf den Kopf trifft. Wir haben in der That
das Ideal des Pianotones nie fo verwirklicht gefunden, wie bei diefem Flügel und
bedauern es höchlichft, dafs wir ihn in der Ausflellung vermifsten.
AuchB öfendorfer liefert uns in feinem vorhin gedachten Inflrumente einen
abermaligen Beweis, dafs er fich lebhaft an den Fortfehrittsideen unferer Zeit
betheiligt. Er hat einen Concertflügel gefchaffen, der es wahrlich verdient hätte,
ebenfalls auf der Ausflellung flatt im Concertfaale Parade zu machen. Schon dem
äufserlichen Bilde nach weicht das Inflrument von der herkömmlichen Conftruklion
ab. An dem Theile des Kaftens nämlich, welcher den Refonanzboden umfchliefst,
find die Seitenwände weggenommen, fo dafs der letztere frei daliegt. Die Idee
ift zwar nicht neu und in manchen Verfuchen fchon aufgetaucht, kommt aber hier
in fehr guter Verwerthung zur Geltung. Der Refonanzboden ift nämlich nach dem
Syflern Steinway’s in einen gegoffenen, eifernen Rahmen eingefügt und fomit
von dem Kaften ganz ifolirt. Das Innere bildet alfo ein felbflftändiges, von dem
Corpus abgelöfles Ganzes für fich, mit einem Wort, das Clavier felbft ift dadurch
unabhängig gemacht von dem Tifchierwerk des Gehäufes. Wir hörten den Flügel
zum erften Male im Böfendorfer Salon bei Gelegenheit der mufikalifchen Soiree,
welche zur Vorführung der Streichinflrumente des Fürften Stourdza veranftaltet
war. Der Ton hat ein bedeutendes Volumen, fpringt aber, befreit von den
Schranken der Seitenwände, leicht und hell heraus, ift ausgiebig und weittragend.
Zugleich verräth er eine bedeutende Modulationsfähigkeit, nimmt jedoch bei
ftarkem Anfchlage, befonders in der Mittellage, eine etwas zu decidirte, metallifche
Färbung an; beachten wir aber, dafs wir einen erften Verfuch vor uns haben und
dafs bei einem folchen ftets einzelne Unvollkommenheiten unvermeidlich find. Das
Refultat diefer Unternehmung geflaltet fich im Ganzen und Grofsen aber fo günftig,
dafs man Herrn Böfendorfer noch beffere Erfolge für die Zukunft in Ausficht ftellen
darf. Der Flügel zeichnet fich endlich durch eine überaus leichte und gleichmäfsige
Spielart aus.
Die Clavierfabrik Böfendorfer wurde mit ganz geringen Mitteln im Jahre
1S28 gegründet, heute nimmt fie unbeflritten die erfle Stellung unter den Clavier-
fabriken Oeflerreichs ein. Der erfle Schritt zur Berühmtheit diefer Fabrik war
durch ein Experiment des damals concertirenden Lifzt herbeigeführt. Lifzt con-
certirte in Wien in unzähligen Produktionen und jedesmal wurden die Pianos der
damaligen berühmten Firmen zertrümmert aus dem Concertfaale getragen. Aerger-
lich über die geringe Widerftandsfähigkeit der Wiener Claviere gab Lifzt dem
Anfinnen eines feiner Freunde nach und liefs einen Böfendorfer-Flügel in den
Concertfaal bringen. — Das Concert war zu Ende und der neue Böfendorfer-Flügel
unverfehrt. Diefer Fall machte derartiges Auffehen, dafs der Ruf der jungen
Firma Böfendorfer im Concertfaal gemacht war. Die Wiener Ausflellungen vom
Jahre 1838 und 1845 verfchafften der Firma Gelegenheit, ihre Fabricate zu zeigen.
Obwohl die Firma die eigentliche Vertreterin der Wiener Conftruklion war und
ift, fö wurden doch immmer alle möglichen fremden Conftruktionen verflicht und
auch gemacht, Combinationen angeflrebt und ausgeführt und die Fabrication erfuhr
eine fortwährende Erweiterung. Im Jahre 1859 flarb der Gründer Ignaz Böfen
dorfer, welcher die Fabrik bereits auf gleiche Höhe mit der circa 120 Jahre alten
Firma Streicher gebracht hatte. Der Sohn und Nachfolger desfelben, Ludwig
Böfendorfer, der jetzige Leiter der'Fabrik, hob den Betrieb der Fabrik immer
mehr, fo dafs fie allen bisherigen Verhältniffen vorausgeeilt ift. Die Fabrik erzeugt
nun Flügel von allen Conftruklionen und Syftemen (englifch, amerikanifch
Wiener etc.) und bringt täglich 2 Stück in Verkehr und befchäftigt 100 Arbeiter
im Haufe und faft ebenfo viele aufser dem Haufe, da die Beftandtheile in Wien von