Mufikalifche Inftrumente.
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Blüthner ifl Inhaber der gröfsten Clavierfabrik, welche gegenwärtig in
Deutfchland befleht, er nimmt hier nach diefer Seite hin diefelbe Stellung ein , wie
Steinway in Amerika. Die Firma wurde im Jahre 1853 gegründet; ihre Fabriks
gebäude umfaffen jetzt eine Fläche von 40.000 Quadratfufs (der Ankauf des
angrenzenden Grundftückes von derfelben Ausdehnung ifl ebenfalls in Ausficht
genommen) und bilden eine Zierde der Weftvorftadt in Leipzig. Das Arbeiter-
perfonale befleht aus 420 Köpfen und findet fich in 80 Arbeitsfälen vertheilt;
3 Magazine find für die Aufbewahrung und Vorbereitung des Materiales beftimmt.
Hölzer find ftets für 10.000 Inftrumente vorräthig und die Holz-Wärmeräume
haben hinlänglich Platz für das Material zu 800 Inftrumente, deffen gleichzeitige
Austrocknung in befter Weife bewirkt werden kann, da in diefen Räumen lieh
eine Wärmefteigerung bis zu 50 Grad erzielen läfst; 4 grofse Säle dienen zur Auf
bewahrung der im Bau begriffenen , und 5 kleinere Säle zur Aufteilung der fertigen
Inftrumente; auch ein prächtiger Concertfaal reiht fich an diefe Räumlichkeiten.
In der Fabrication herrfcht das Princip der Arbeitstheilung, für jedes kleine
Theilchen des Pianofortes find befondere Arbeiter beftellt, welche nur immer
diefen einen Theil anfertigen und dadurch natürlicherweife in Folge fortgefetzter
Uebung die gröfste Gefchicklichkeit erlangen ; für jede Arbeitsabtheilung ift ein
eigener Werkführer aufgeftellt, die wieder von einem praktifch gebildeten
Infpetftor überwacht werden, wodurch eine fortlaufende Controle der Arbeiter
erzielt wird. Die Säle reihen lieh fo aneinander, dafs beim Transportiren der
Inftrumente zur weiteren Vollendung nicht der geringfte Zeitverluft entfteht.
DreiFahrftühle, die durch Dampf in Bewegung gefetzt werden, vermitteln den Trans
port zwifchen den verfchiedenen Etagen. In den Parterreräumlichkeiten befindet
fich die Tifchlerei zur Anfertigung der Käften (Corpora) und im Souterrain der
Gebäulichkeit die Schlofferei, zwei Schmiede-Werkftätten mit 58 Arbeitern und
ii Dampfmafchinen. Die Fabrik liefert monatlich circa 80 Flügel und 50 Pianinos,
welche in Deutfchland, im übrigen Europa und Amerika ihren Hauptumfatz
finden. Aber Blüthner wirkt nicht nur praktifch in feinem Fache, fondern auch
theoretifch. Das von ihm und Dr. Greife hei verfafste und in Weimar bei Voigt
erfchienene Lehrbuch des Clavierbaues ift für Claviermachergehilfen und an
gehende Pianofabrikanten von unbedingt grofsem Vortheil, da es überhaupt das
einzige Werk ift, welches nach den grofsen Fortfehritten der letzten Jahre im
Clavierbau über denfelben in deutfeher Sprache erfchienen ift. Aus Blüthner’s
Fabrik trafen wir in der Ausftellung zwei Concert- und einen Salonflügel an;
unter den beiden erften einen mit Erard’fcher Mechanik, die beiden anderen
mit B1 ü t h n e r’fcher Mechanik.
In neuefter Zeit ift Blüthner mit einer Mechanik aufgetreten, welche
die höchfte Beachtung verdient. Diefelbe erreicht in allen Anfprüchen, welche
der Pianift an eine gute Mechanik ftellt, diejenige E rar d’s, von deren Grund-
fyftem fie ihrem Wefen nach, wie alle neueren Mechaniken, ihren Ausgangspunkt
genommen hat. Durch zwei Schrauben wird eine Brücke auf den Claves feft-
gehalten, an deren Ende fich ein drehbarer Stöfser befindet; daran ift ein hori
zontaler Arm, welcher durch eine zarte Feder vom Clavis weggedrückt wird. Der
Stöfser fitzt unter einer gepolfterten Nafe des Abftracles, in deffen unterem Ende
ein Metallftift angebracht ift, welcher in einem Schnabelleder fpielt, während das
obere Ende in einer Gabel ausläuft, in welcher fich eine durch die Hammernufs
gehende Achfe befindet. Zwei Knöpfchen begrenzen die Bewegung des Stöfsers.
Eine rechtwinklig gebogene Drahtfeder , welche theils in der Brücke, theils im
Abftracft befeftigt ift, hält letzteren oben, wenn der Clavis vorne niedergedrückt
bleibt, und auch der Stöfser ausgelöfcht worden ift, und ermöglicht auf diefe Art
in der einfachften und.vorzüglichften Weife die Repetition. Das Syftem auf den
zwei Federn gibt dem ganzen Mechanismus einen bedeutenden Grad von Elafti-
cität und geftattet die feinften Nuancirungen des Anfchlags. Die Mechanik wurde
bereits im Jahre 1856 patentirt. In Folge einiger angebrachten Veränderungen.