Mufikalifche Inftrumente.
53
faales nicht wohl eignet. Stainer ift der eigentliche Begründer einer fpecififch
deutfchen Geigenbau-Schule. Seine Violinen galten lange als Vorbilder bei den
deutfchen Geigenmachern, bis man in neuerer Zeit wiederum zu den italienifchen
Meiftern zurückgekehrt ift. In Wien waren es namentlich Eifenhofer, Stadelmann
und Stofs, welche diefe Rea&ion hervorriefen. So geflaltet fich alfo der Fortfehritt
auf diefem Gebiete, der feit jener grofsen Periode gemacht ift, eigentlich zu einem
Rückfchritt; der Hauptwerth der Arbeiten unterer heutigen Meifter beruht ja im
Wefentlichen darin, dafs diefelben möglichft treue Copien jener alten italienifchen
Originale liefern.
Man hat nun auch hier einen neuen Weg anbahnen wollen, hat an der
Violine, und vielleicht mehr als an einem anderen Inflrument experimentirt, um ein
neues Syftem für die Conflruction aufzufinden und zu begründen. So glaubte der
berühmte Akuftiker Savart in Paris dem Geheimnifs auf die Spur zu kommen,
indem er der Geige eine viereckige Form gab und flatt der gewölbten Refonanz-
Löden geradflächige verwendete und die A’-Löcher durch gerade Schlitzen erfetzte.
Savart hielt zwar diefes Inflrument für den Ausdruck fünfter Gefühle ganz befon-
’ders geeignet, aber in Wahrheit hatte es gar keinen Ton und zu einem gleichen
Refultate haben bisher alle derartigen Verfuche geführt. Der Toncharakter der
Geige ift mit deren hiftorifchen Form fo innig verwachfen, dafs eine Veränderung
an der letzteren eine Alteration der erfteren bewirkt. Die Ausftellung felbft
lieferte uns einen fehr intereffanten Beweis dafür in einem nach dem neuen Syfteme
des Fürflen Gregor Stourdza von dem Wiener Geigenmacher Zach gebauten
Streichquartette, das wir bei einer mufikalifchen Production hören konnten. Nach
der Mittheilung im Programm beabfichtigte der Fürft, mittelft feines erfundenen
Syftems nicht nur eine Steigerung der quantitativen Fülle und Tonkraft gegenüber
den Inftrumenten. fondern auch eine Klangfarbe zu erzielen, welche fich dem
Timbre der menfchlichen Singftimme möglichft charakteriftifch nähert. Durch
eine Vergröfserung des beftehenden Formats wäre der Grundcharakter der Inftru
mente geopfert worden. Der Erfinder nahm daher feine Zuflucht zu der elliptifchen
Form, als der günftigften für die Klangreflexionen und geftaltete die beiden Aus
bauchungen der Geige in zwei in der Richtung der Queraxe zufammenftofsende
Ellipfen um. Unglücklicherweife aber verhinderten die Forderungen der Appli
catur, hier die Gefetze der Symmetrie gehörig einzuhalten. Die eine Ellipfe
mufste eine Verfchiebung nach links hin erfahren, fo erhielten die Inftrumente
jene barocke Geftalt, die unwillkürlich das Bild eines kropfartigen Auswuchfes
wachruft. Sie find in der Thal die drolligften Mifsgeburten, welche die Familie
der Ton-Werkzeuge bis jetzt in die Welt gefetzt hat.
Diefer Umftand der Dinge liefse fich aber immerhin ertragen, wenn er
durch eine Steigerung der Klangfchönheit aufgewogen wäre, allein die Erfindung
kommt eigentlich nur der Bratfche etwas zu Gute. Mag auch der Ton der Geige
etwas an Breite und Intenfivität gewonnen haben, fchöner ift er wahrlich nicht
geworden; er erlitt vielmehr durch eine dunklere, bratfehenartige Färbung eine
beträchtliche Einbufse an feinem normalen Charakter. Bei ihrem Zufammenfpiel
im Quartett erzeugen diefe Inftrumente eine Monotonie in der Klangwirkung,
welche auf die Dauer geradezu unerträglich wird; mit einem Wort, durch diefe
Erfindung find wir wohl um ein Experiment, aber nicht um ein Refultat reicher
geworden.
Die Erfahrung lehrt, dafs gut conftruirte Geigen mit den Jahren an Klang
fchönheit gewinnen, namentlich wenn fie ftets von gefchickten \ irtuofen gefpielt
werden. Wir können uns leider durch das Medium ihres jetzigen Tones nur eine
fehr unfichere Vorflellung machen, wie die hier ausgeftellt gewefenen alten*Cre-
monefer Geigen geklungen haben, als fie frifeh aus der Werkftätte hervorgingen.
Es liegt nun die Frage auf der Hand, ob es nicht möglich wäre, durch einen
künftlichen Procefs demEinfluffe des Alters zuvorzukommen und eine Geige ohne
gewaltfamen Eingriff in der herkömmlichen Form von vornherein mit allen den