Aber nicht nur Maschinen suchte man, wie Colas, aus dem Ausland zu importieren; man
bemühte sich auch um ausländische Fachkräfte. Der landesbefugte Goldgalanteriewa
renfabrikant Karl Albrecht Bock (Hofkammerarchiv Wien, Kommerz, rote Nr. 263, 3 ex
1798) bat um Ertheilung eines Passes für seinen „von Genf gebürtigen Gesellen August
Heberger, dann seiner Gattin zur Anherreise, und zwar, weil selber schon vorhin einige
Jahre hier gewesen, und nur bey der im vorjährigen Frühlinge eingetrettenen Feindes
gefahr, wo gemäß erlassenen Befehls alle Fremde die Stadt Wien binnen 3 Tagen verlas
sen mußten, in sein Vaterland zurückzukehren sich genöthiget sah ... Hebergers be
sondere Geschicklichkeit wurde entsprechend hervorgehoben (Hofkammerarchiv Wien,
Kommerz, rote Nr.263, 3 ex 1798):
„ . .. übrigens sey Heberger im Graviren besonders der geringen Goldgalanteriewaaren,
dann der messingenen Sackuhrgloken vorzüglich geschickt, habe sich immer während
der zwey Jahre, als er allhier für den Bittsteller in seiner eigenen Wohnung gearbeitet,
sehr fleißig, und ruhig betragen, und sey überhaupt ein häuslicher, und wohlgesitteter,
dann rechtschaffener Mann gewesen, wie dann auch ferner sein Eheweib im Ausschnei
den der gravirten obbenannten Arbeiten eine gleiche Geschicklichkeit besitze, und da
her dem Bittwerber, bey dem dermaligen Mangel an so geschickten Leuten, unentbehr
lich wären. “
Neben dem Hinweis auf die besonderen Fähigkeiten von Heberger und seiner Frau ist
auch die Tatsache bemerkenswert, daß diese offensichtlich in Heimarbeit für Bock tätig
waren („in seiner eigenen Wohnung“).
In Österreich sind für das 19. Jahrhundert zahlreiche Privilegien auf das Drücken, Wal
zen, Pressen, Stanzen von Blech nachgewiesen, von denen einige im folgenden kurz er
wähnt, im zweiten Band meines Katalogwerkes näher besprochen werden:
Daniel Stubenrauch verwendete für seine Methode eine Ober- und Unterstanze mit
einer Ledereinlage (Beschreibung 2/1842, S. 18).
Benedikt Nikolaus Ranninger und Wolf Heinrich Ranninger erfanden eine neue Druck-
und Drehmaschine mit einer stehenden Spindel, womit dem Golde und Silber jede belie
bige Form gegeben werden konnte (Jahrbücher 16/1830, S. 388; Beschreibung 2/1842,
S. 208: erloschen 1834).
Eine sehr detaillierte Beschreibung gibt es von den verschiedenen Möglichkeiten ma
schineller Erzeugung von Metallobjekten durch die bekannte Firma Mayerhofer & Klin-
kosch (Beschreibung 2/1842, S. 245): das betreffende Privilegium wurde 1823 erteilt,
1833 verlängert und erlosch 1838.
Franz Gindorff erhielt ein Privilegium zur Verfertigung runder Arbeiten mittelst einer Vor
richtung an der Drehbank (Jahrbücher 16/1830, S. 393).
Peter Stubenrauch erfand eine Maschine zur Verfertigung, Pressung und Streckung der
Gold- und Silberarbeiten (Jahrbücher 14/1829, S. 382, 383).
Auf die Privilegien, die im Zusammenhang mit dem vorliegenden Katalog relevant sind
(Guillochieren, Nieliieren, Ätzen, Emaillieren etc.) gehe ich im Kapitel über die Dosener
zeuger beim jeweiligen Privilegierten bzw. im Kapitel über österreichische Erfindungen
und Privilegien ein.
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STEPHAN EDLER VON KEESS: DIE GOLD = UND SILBERARBEITEN
Einen guten Überblick über die Techniken der Gold- und Silberschmiede zur Zeit des
Biedermeier gibt Stephan Edler von Keeß im Jahre 1823 (Darstellung des Fabriks = und
Gewerbswesens im österreichischen Kaiserstaate. Vorzüglich in technischer Bezie
hung. Zweyter Theil, Zweyter Band, Wien, 1823, S. 437-447):
Die Gold = und Silberarbeiten.
Gold = und Silberarbeiter ist im Allgemeinen zwar Jeder, der Gold und Silber verarbeitet, im
engern Sinne aber versteht man unter dem Nahmen Goldarbeiter, Goldschmied, Silberarbei
ter nur solche Professionisten, welche aus Gold und Silber verschiedene Geräthe, Geschirre,
Galanteriewaaren und sogenannte Pretiosen verfertigen. Diese Arbeiter bilden im Jniande
eigene Jnnungen, weiche allenthalben den k. k. Münzämtern untergeordnet sind, und für die
Wiener Jnnung der bürgert. Gold = und Silberarbeiter besteht seit 18. October 1775 eine
Handwerks = Ordnung. Die Lehrzeit ist darin auf 6 Jahre festgesetzt. Jeder Gold = und Silber
arbeiter, der ein Meisterrecht oder Befugniß erhalten hat, ist hier nicht bloß zur Verfertigung
der Gold = und Silbergefäße, sondern auch der Galanteriearbeiten befugt, weiche letztere
keiner besondern Gewerbsclasse zugewiesen sind. Die Befugnisse hierzu dürfen aber nur
solchen Jndividuen ertheilt werden, weiche bey dem Hauptmünzamte in der Legirung des
Goldes und Silbers und in der Münzrechnung Prüfung gemacht, bey der Graveur = Akademie
im Zeichnen und Bossiren Proben ihrer Fähigkeit abgelegt, und endlich die eigentlich Ar-
beits = oder Meisterprobe verfertiget haben. Diese Meisterstücke sind nach der Jnnungs =
Ordnung: bey den Silberarbeitergesellen ein getriebener und vergoldeter Kelch, oder ein an
deres verkäufliches Stück, woran die Kunst des Gesellen hinlänglich zu ersehen ist; bey den
Goldarbeitergesellen ein mit echten Steinen gefaßtes Schmuckstück, z. B. ein Kamm, Orge-
hänge etc.; bey den Galanteriearbeitergesellen eine gravirte und ciselirte goldene Dose oder
ein anderes zum Beweise der erforderlichen Fähigkeit wohl ausgearbeitetes Stück. Übrigens
bestehen für die Gold = und Silberarbeiter noch viele politische Anordnungen, welche, in so
weit sie auf das Gewerbe als solches Beziehung haben, am gehörigen Orte in Kürze berührt
sind.
Die Gold = und Silberarbeiter verarbeiten Gold und Silber, zuweilen auch Platina, und bedie
nen sich hierzu verschiedener Mittel, Handgriffe und Werkzeuge. Das Gold darf nur auf fün-
ferley Art legirt verarbeitet werden: 1) mit reinem Silber, 2) mit reinem Kupfer, 3) zur Hälfte
mit Silber und zur Hälfte mit Kupfer, 4) mit % Kupfer und 1 / 3 Silber, 5) bey emaillirten Arbeiten
mit % Silber und 1 / 3 Kupfer. Goldwaaren, weiche 4 Ducaten und darüber wiegen, sollen nur
nach drey Nummern gearbeitet werden, so, daß das Gewicht eines Ducaten bey Nr. 1: 1 fl.
30 kr., bey Nr. 2:2 ff 30 kr., bey Nr. 3: 3 ff 30 kr. an feinem Golde hält (vgl. Th. I. Metalle); alle
minderen Waaren bleiben dem Übereinkommen des Käufers und Arbeiters überlassen. Das
Silber darf nur mit rothem Kupfer legirt seyn, und soll 13 oder 15löthig verarbeitet werden
(vgl. Th. I. Metalle). Das Scheiden und Abtreiben ist keinem Gold = und Silberarbeiter gestat
tet, sondern diese Arbeiten sotten immer in den Münzämtern geschehen.
Die Silberarbeiten theiien sich vornehmlich in die Hammerarbeit, die getriebene, die Punzar-
beit und die Filigranarbeit, daher es in den Werkstätten der Silberarbeiter auch mehrerley Ge
sellen gibt, z. B. Hammerarbeiter, welche das Silber zu Gefäßen ausschlagen (treiben), und
Punzarbeiter (Ciselirer), welche mit Punzen die verschiedenen Verzierungen machen u. s. w.
Die gehämmerte oder geschlagene Arbeit ist die einfachste von allen, und unterscheidet sich
wenig von anderen Metallarbeiten. Viele Arbeiten werden durch das Gießen vorbereitet. Der
Goldarbeiter verfertiget nähmlich zuerst ein Modell, druckt selbes in der Gießflasche, worin
feiner Formsand sich befindet, ab, und gießt in diese Gießflasche das geschmolzene Gold
oder Silber. Manche pflegen dabey dem Golde die Sprödigkeit dadurch zu benehmen, daß
sie dasselbe im Schmelztiegel weich werden lassen, bis es nahe daran ist, zu fließen, und
dann etwas gepulverten Salpeter darauf werden; beym Silber aber ist roher Weinstein in
Stücken besser, als der Salpeter. Es entsteht ein kleiner Bück, und in demselben Augen
blicke wird das Metall ausgegossen. Nicht alle Silberarbeiter gießen selbst, sondern die mei
sten lassen bey den Gelbgießern gießen, weiche hierbey eben so verfahren, wie beym Me
tall = oder Messinggusse (vgl. Geibgießer = Arbeiten). Insbesondere ist dieß bey Verzierun
gen u. dgl. der Fall. Zu anderen Arbeiten gießen die Silberarbeiter Silberstangen in Gießbuk-
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